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Aiguille Verte durch das Whympercouloir (4122 m)
Bericht 20.-21. Juli 1996
Nach einigen vergeblichen Versuchen, die meist im Schneegestöber endeten,
scheinen dieses Jahr sowohl das Wetter wie auch die Verhältnisse besser zu passen.
Wieder mal haben wir 61 Francs in die Zahnradbahn nach Montenvers investiert.
Knappe vier Stunden später sind wir am Refuge du Couvercle, um zu erfahren, daß selbige
schon voll ausgebucht ist. Was für ein Glück, daß wir in einer gewissen Vorahnung wenigstens
die Biwak-Ausrüstung mitgeschleppt haben. 350 m oberhalb der Hütte finden wir ein ganz
geeignetes Plätzchen auf dem Gletscher.
Am Sonntag geht's früh los, um kurz vor eins. Nach einem kurzen Fast-Verhauer, an dem
alle Whympercouloir-Aspiranten beteiligt waren (sozusagen ein Massenphänomen im Dunkeln
der Nacht) erreichen wir den tatsächlichen Einstieg zum Couloir um drei Uhr.
In der Rinne selbst sind die Schneeverhältnisse des Jahrzehnts: Trittfester Schnee mit
oft bereits fertigen Stufen. In zweieinhalb Stunden durchfliegen wir die 600 Meter
bis zum Sattel förmlich. Langsam beginnt es zu dämmern; der Gipfelgrat ist in einer Viertelstunde
geschafft.

Das letzte Gratstück, vom Gipfel aus gesehen.

Morgens um sechs ist die Welt noch in Ordnung.
Auf dem Gipfel der Aiguille Verte (4122 m) erleben wir um Punkt sechs Uhr einen großartigen Sonnenaufgang:
Zuerst bekommt unser Nachbar, der Mont Blanc, das erste zaghafte Rosa, dann plötzlich kommt die
Sonne hinter den Walliseralpen hervor. Der lange dreieckige Schatten unseres Berges ist bis
weit in den Westen zu sehen, wo noch Dunkelheit herrscht.

Mont Blanc vom Gipfel der Aiguille Verte gesehen
Wir müssen uns jetzt schon beeilen, denn im Juli geht alles ziemlich schnell. Noch liegt
unsere Rinne im Schatten und ist frei von Stein- und Eisschlag. Um neun Uhr sind wir
wieder am Fuß der Rinne; für den Abstieg sind einige der Haken und Schlingen am Rand des Couloirs
von Vorteil. Neun Uhr ist auch sehr genau die Grenze zum Gefährlichen: Schon sehen wir Steinschlag im
Couloir, und der Schnee wird matschig und unsicher.

Whympercouloir, von unserem Biwakplatz
Der weitere Rückweg verläuft wenig spektakulär, außer des anscheinend üblichen
Touristen-Staus an den Leitern vom Mer de Glace zur Station Montenvers.
Wer eine Leiter benutzt, sollte doch mit der Bedienung dieses Geräts soweit vertraut sein,
daß er sie flüssig absteigen kann und nicht auf jeder Stufe herumzetert. Besonders, da die
meisten dieser Kandidaten nicht mal einen Rucksack zu tragen haben....
Praktische Information
Schwierigkeit
auch bei besten Verhältnissen ZS, bei Blankeis sicher kein Spaß. Reine Eistour, 45-50°, südseitig.
Hüttenzustieg
Von Montenvers (Zahnradbahn von Chamonix) über das Mer de Glace und die Leitern (beginnen bei
2180 m am linken Gletscherufer) zum Refuge du Couvercle, 2687 m. 3 1/2 - 4 Stunden.
Aufstieg
Vom Refuge in etwa 3 Stunden über den Glacier de Talèfre zum Einstieg ins Whympercouloir
auf 3460 m. Immer im Couloir, eher näher dem rechten Rand, zum Sattel 4055 m zwischen Verte und
Grande Rocheuse und von dort 10 Minuten zum Gipfel, 4122 m. Für das Couloir selbst 2 1/2 Stunden.
Abstieg
Abstieg: wie Aufstieg. Dauert auch ungefähr gleichlang. An der (orogr.) linken Seite des Couloirs
sind Fixpunkte in etwa 50 m Abständen.
Bemerkungen
Beste Zeit: Juli. Wir hatten perfekte Schneeverhältnisse völlig ohne Blankeis.
Mit Blankeis wird das Ganze eine ziemliche Aktion.
Achtung Steinschlag: Der Abstieg durchs Couloir muß unbedingt beendet sein, wenn die Sonne das Couloir erreicht, also
spätestens um neun Uhr! Aufbruch daher um Mitternacht.
Sonstiges
Telefon Refuge du Couvercle: +33 450 53 16 94
Führer: Rother, Mont Blanc-Gruppe (2000), Route 1181
Landkarte: 1:25000 IGN 3630 ouest "Chamonix-Mont-Blanc"
Weitere Bilder von der Aiguille Verte finden Sie in der Bildergalerie.
© 1997 Hartmut Bielefeldt
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Letzte Änderung am 09. August 2002 durch Hartmut Bielefeldt
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