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Eine kleine Durchquerung der Berneralpen
Gross Grünhorn (4044 m) - Finsteraarhorn (4274 m)
Bericht 08.-11. September 1997
Verdächtigerweise haben wir immer noch schönes Wetter, seit Wochen schon. Nicht ganz, denn
jeweils zum Wochenende hat es die letzten vier Wochen immer wieder zugemacht und von Freitagabend bis Sonntagabend mehr
oder weniger durchgängig geregnet. Was macht man in solch einem Fall - eine Woche Urlaub natürlich. Dann kann man das
gute Wetter von Montag bis Freitag gut nutzen.
Montag, 8. September 1997
Vom Bodensee mittags schnell noch nach Lauterbrunnen gefahren, sind wir schon am Parkhaus
fertig mit der Welt. 7 Franken pro Tag, die ersten Tage deutlich teurer. Und das ist ja nicht die
einzige Ausgabe, die auf uns wartet: Am Bahnschalter reagiert man auf mein Begehren "anderthalb mal
Jungfraujoch einfach" so als hätte ich "Mond" gesagt statt Jungfraujoch. Das "anderthalb" kommt
natürlich daher daß ich ein Halbtax habe und Claudia nicht.
An der kleinen Scheidegg müssen wir fast eine Stunde warten, weil die Fahrpläne ziemlich schlecht aufeinander abgestimmt sind.
Die Fahrt zum Jungfraujoch ist zwar meist recht dunkel (langer Tunnel), aber doch immer wieder ein
gewisses Erlebnis. Die Lautsprecherdurchsage im Zug scheint nun auf Hochdeutsch(!), Englisch, Französisch (zumindest manchmal),
Japanisch und wahrscheinlich Koreanisch zu sein. Die letzteren beiden Volksgruppen rauschen aber immer in
geschlossenen Gruppenwagen an uns vorbei.
Oben angekommen, begeben wir uns schnurstracks zur Stollentür und stehen auf dem Aletschgletscher (genauer: dem Jungfraufirn).
Zum Mönchsjoch sind es 35 Minuten, und da wird die Leine angelegt und weiter abgestiegen über das schier
endlose Ewigschneefeld, bis wir im letzten Abendlicht unseren geplanten Zeltplatz am Fuß des Grünhorns auf 3140 m erreichen.
Das Menü wird heute abend leider etwas gekürzt: Kocher und Benzinflasche sind schnell gefunden, aber die
Benzinpumpe ist wohl leider zuhausegeblieben. Also bleibt die Küche kalt. Immerhin kann man einen wunderschönen
Sonnenuntergang bewundern. Hat ja auch einen gewissen Nährwert.
Dienstag, 9. September 1997
Um zwanzig nach vier gehen wir los. Stockdunkel ist es noch, und diese Route scheint eher
wenig gebräuchlich zu sein. Mangels Spur ein kleiner Verhauer im Gletscherbruch, aber sonst ist der
Weg gut zu finden. 2 1/2 Stunden zum Sattel am Grünegghorn; ab hier folgt man dem Felsgrat. Auch der ist
viel leichter als erwartet: völlig schneefrei und meist Gehgelände. Die IIer-Stelle ist kaum
zu finden. Nach einem Stündchen ist der Gipfel erreicht: 4044 m. Tatsächlich scheint das der
einzige Viertausender der Alpen zu sein, von dem aus man keinen einzigen Ort im Tal sehen kann. Um uns herum nur
arktisch anmutende riesige Gletscherflächen. Die Fernsicht ist allerdings konkurrenzlos - neben
Tausenden von Bergen sieht man übrigens auch die Kernkraftwerke im Mittelland, die sich
durch Wolkentürme im sonst flachen Hochnebel hervorheben.
Der Abstieg zum Lagerplatz ist in nur anderthalb Stunden beendet. Aufgrund unserer etwas unglücklichen
Versorgungslage gehen wir - anstatt nochmal zu zelten - heute noch zur Finsteraarhornhütte, was dann über die Grünhornlücke
nochmal knappe fünf Stunden dauert.
Das Finsteraarhorn, von der Grünhornlücke aus gesehen
Mittwoch, 10. September 1997
Gestern nachmittag und während der Nacht war es ziemlich windig. Wir hatten schon Bedenken wegen des
(als exponiert beschriebenen) Grates, aber morgens läßt es zum Glück nach.
Erst um halb sechs geht's hier los. Zuerst einen unglaublichen Schuttweg hoch, dann (jetzt ist es ja auch hell)
problemlos über den Gletscher zum Hugisattel. Das letzte Stück zieht sich enorm. Am Hugisattel beginnt der
Felsgrat, der auf der linken Seite wirklich spektakulär ins Nichts abfällt. Die Route verläuft dementsprechend
meist rechts des Grats, und die Stückchen auf dem Grat garantieren für
perfekten Tiefblick. Ansonsten sind die Verhältnisse durch den Neuschnee am Wochenende bestens:
Meist folgt man festem Trittschnee und muß sich nur hier und da mal festhalten; die steileren Stücke im
Fels sind dagegen schneefrei.
Vom Gipfel des Finsteraarhorns hat man eine unglaublich gute Sicht in alle Richtungen.
Ob Ortler oder Mont Blanc, Mittelland-Nebel oder Tessiner Dunst, man sieht einfach alles.
Auch die "Tiefflieger", die mit dem Düsenjäger nur ein paar hundert Meter höher
genau über den Gipfel rasen.
Zwei Stunden später sind wir zurück an der Hütte. Nachdem wir uns noch gut mit
Getränken eingedeckt haben (wir können ja nichts selber kochen), schlagen wir unser
Zelt eine Stunde weiter unten am Fuß der Gemschlicke auf.
Donnerstag, 11. September 1997
Falls ich das zu erwähnen vergessen habe: Das Wetter ist immer noch wolkenlos.
Heute steht der weite Weg zurück zum Auto auf dem Programm. Der erste Teil davon ist
die Gemschlicke (3335 m), fünfhundert Höhenmeter von unserem Zeltplatz. Das
Couloir zur Lücke besteht nur noch aus Geröll und ist wohl nur mit guten Nerven zu empfehlen.
Zumindest muß man immer etwas schneller aufsteigen, als das Geröll unter einem
talabwärts rauscht.
Von der Gemschlicke geht es in einen Talkessel herunter und wieder ein wenig herauf zum
Oberaarjoch (3223 m), über dem die gleichnamige SAC-Hütte steht. Dort können wir
wieder Getränke tanken. Ab hier geht's geradewegs den Gletscher herunter zum Oberaarstausee.
Auch das Problem Oberaar-Grimsel ist schnell gelöst, wir finden jemand, der uns bei der nächsten
Grünphase mitnimmt (die Straße hat halbstündlich wechselnden Einbahnverkehr). Von der Grimsel
nehmen wir den Postbus nach Meiringen, und ich hole das Auto aus Lauterbrunnen dorthin. Über den Brünig
sind wir bald zuhause.
Praktische Hinweise
Zeiten und Schwiergkeiten
Strecke | Zeit | Bemerkung |
Jungfraujoch (3454) | | |
| 0:35 | planierte Piste |
Oberes Mönchsjoch (3629) | | |
| 1:20 | kaum Spalten |
Ewigschneefeld (3140) | | |
| 3:30 | Fels II am Grat (ein Stück, sonst I oder nix) |
Gross Grünhorn (4044) | | |
| 1:30 | Rückweg durch den Bruch meist gut zu finden |
Ewigschneefeld (3140) | | |
| 1:00 | links bleiben und durch Spalten und Geröll durchwursteln |
Konkordiaplatz | | |
| 2:15 | flach und einfach |
Grünhornlücke (3286) | | |
| 1:00 | vielleicht ein kurzes Blankeis-Stück |
Finsteraarhornhütte (3048) | | |
| 5:00 | Fels II am Grat, sonst exponiertes Gehgelände. |
Finsteraarhorn (4274) | | |
| 2:15 | |
Finsteraarhornhütte (3048) | | |
| 0:35 | etwas rechts ausholend |
Fieschergletscher (2870) | | |
| 2:00 | Ganz grausames Gerümpel! Nicht zu empfehlen! |
Gemschlicke (3335) | | |
| 1:00 | Einfach, kleine Spalten |
Oberaarjoch (3223) | | |
| 2:20 | Einfach, ein paar Spalten |
Oberaarsee (2303) | |
Routen
Am Grünhorn: erst etwas Orientierungsarbeit im Gletscher, oben leichter Felsgrat, eine (wohl meist
vereiste) Stelle II, sonst leicht.
Am Finsteraarhorn leichtes Gehgelände bis zum Hugisattel, dann Felsgrat, dem man meist rechts in der verschneiten Flanke folgt. Immer steiles Gelände,
einige Steilstufen (II) besonders zum Gipfel hin.
Führer/Karte
Führer:
- entweder: SAC, "Hochtouren Berner Alpen" (CD-ROM, 2000), Routen 415 (Mönchsjochhütte), 443 (Mönch), 464 (Gross Grünhorn), 416 und 403 (Grünhornlücke), 478 (Finsteraarhorn), 404 (Gemschlicke), 512 (Oberaarjochhütte)
- oder die beiden
- SAC, "Berner Alpen 4" (1989), Routen 22 (Mönchsjochhütte), 236 (Mönch), 325 (Gross Grünhorn), 5 (Grünhornlücke), 403 (Finsteraarhorn), 413 und 414 (Gemschlicke)
- SAC, "Berner Alpen 5, Von Grindelwald zur Grimsel" (1996), Route 12 (Oberaarjoch)
Landkarte:
- 1:50000 LKS 264S "Jungfrau", 265S "Nufenenpass"
- 1:25000 LKS 1249 "Finsteraarhorn", 1250 "Ulrichen"
Was man sich sonst noch merken sollte...
Oberaar-Straße: Bergfahrt 00-10, Talfahrt 30-40 jeder Stunde zwischen 6 und 22 Uhr.
Postbus von der Grimsel nach Meiringen um 14.40 Uhr.
Kosten
Lauterbrunnen-Jungfraujoch | einfach Fr. 84.- |
Grimsel-Meiringen | einfach Fr. 24.- |
Meiringen-Lauterbrunnen | einfach Fr. 15.60 |
Parkhaus Lauterbrunnen | Fr. 27.50 (Mo 16:00-Do 17:00) |
und dazu natürlich noch all die Getränke auf den Hütten etc. etc... |
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© 1997 Hartmut Bielefeldt
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Letzte Änderung am Freitag, 9. August 2002 durch Hartmut Bielefeldt
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