24 Stunden von Bayern 2012: Inzell16. - 17. Juni 2012
Wieder mal was Neues: eine 24-Stunden-Wanderung. Seit Kammerlanders Aktionen ist das jetzt ein wenig "in", die 24 Stunden von Bayern gibt es seit ein paar Jahren.
Wir hatten zwar schon ein paar Touren, die ziemlich lang waren (Piz Cambrena Eisnase mit Skizustieg, 21 Stunden, und mehrere Aktionen so um die 19 Stunden), aber das war meistens nicht so lange geplant gewesen;-)
Erste Runde: Berge-Almen-Schlucht-Himmelsleiter-Runde32.6 km, 1786 Höhenmeter*Samstagmorgen um 8 Uhr geht es los; Rodel-Legende Georg Hackl gibt den Startschuss (wandert aber weiter nicht mit, da mit Häuslebauen beschäftigt;-). Um die Arena herum begleitet eine Blaskapelle das Feld; nachdem wir diese nach hundert Metern hinter uns gelassen haben, geht es auf breitem Weg weiter zum Falkensee, wo Inzells Bürgermeister Trompete spielt. Bald geht es steiler bergauf, der Weg wird schmäler, Überholen kaum mehr möglich. Auf dem manchmal rutschigem und oft sehr steilen Weg gibt es immer wieder Stau. Um halb elf ist endlich der Grat erreicht, kurz dahinter liegt die Kohleralm (1450 m) mit der ersten Verpflegungsstation. Es gibt Holundersaft und eine Brotzeit. Mit den kleinen (aber häufigen) Gegensteigungen im unteren Teil sind 900 Höhenmeter "errungen" und 9.5 km zurückgelegt.
Wer möchte, kann sich hier über Kräuter und Melktechniken kundig machen. Der Weg weiter zur Zwieselalm ist recht alpin: Er ist ziemlich schmal, bietet einige Steilstellen, wo auch Handeinsatz gefragt ist, und ist leider auch recht rutschig. Die Geschwindigkeit von 3 km/h, die im "Roadbook" als Orientierung angegeben ist, stellt sich so nicht ein. Insbesondere da sich der Tross noch nicht so ganz aufgelöst hat, man also immer auch auf voraus- und hinterhergehende Mitstreiter achten muss.
Bei der Zwieselalm verteilen Soldaten Getränkeflaschen. Bei dem wunderschön wolkenlosen Himmel heute ist das ein hilfreicher Service, denn langsam wird es warm. Nach 40 Minuten Abstieg erreicht man das Ahornplatzl (km 13.9), wo eine Feldküche der Bundeswehr auf hungrige Wanderer wartet. Trotz des Tarnnetzes brennt die Sonne, die heißen Nudeln wollen nicht so recht in den Mund wandern. Eine ausgiebige Pause von einer guten Viertelstunde muss nun aber sein, es kommt lange kein Verpflegungsposten mehr. Weiter abwärts Richtung Bad Reichenhall; am Gasthaus Listwirt geht es weiter nach Süden. Im Langackertal ist mit 513 m der tiefste Punkt der Tour erreicht. Hier warten Römer, Kelten und Bajuwaren in entsprechender Kleidung auf interessierte Besucher. Besonders den Römern in der Rüstung ist es bei nun etwa 30°C sicher gemütlich warm. Am Thumsee vorbei wandert man nun wieder aufwärts; nach dem Seeende führt ein schmaler Pfad über der Straße durch den Hang, am Ende mit steilen Treppen. Die Treppen überbrücken eine frühere Sole-Steigleitung; oben am Informationshäuschen posieren zwei Pferde mit Taschen für den Salztransport. Das Salz aus Berchtesgaden wurde ursprünglich dort aufbereitet und mit Pferden transportiert. Als das Brennholz zur Neige ging, musste man die Saline nach außerhalb verlagern; das Salz wurde gelöst und in einer der weltweit ersten Pipelines (gebaut im Jahr 1619) transportiert. Die Höhendifferenz hoch bis Inzell wurde mit mehreren Pumpwerken überwunden, dazwischen verlief die Leitung fast eben.
Wir aber verlassen den ebenen Salinenweg bald und steigen ab zum unteren Ende der Weißbachschlucht (km 24.0). Durch die Schlucht geht es - teils etwas glitschig - bis unters Mauhäusl. Ich sehe die Straßenbrücke ganz weit oben, wo sonst nur Himmel sein sollte, und ahne Böses: Viele, viele Stufen. Das ist aber noch nicht die Himmelsleiter, sondern nur der überschaubare Aufstieg zum Mauthäusl. Mühsam ist er jetzt, nach 8 Stunden in der Hitze, trotzdem. Immerhin: Nach der letzten Treppenstufe landet man auf der Terrasse des Restaurants, wo es Wasser, Brot, Butter und Käse gibt.
Leider führt der Weg gleich wieder hinunter zum Bach, die Steigung hätte man sich eigentlich schenken können (dann hätte man aber auch die Station auslassen müssen). Weiter nach Weißbach, wo das Salz Sieden demonstriert wird. Es gibt Trinkjoghurt und Gummibärchen. Der weitere Weg führt nördlich aus Weißbach heraus an eine lange Treppe - das ist nun endlich die "Himmelsleiter". Sie führt mit 444 Stufen an einer Sole-Steigleitung aufwärts. Danach geht es wieder flach auf dem Salinenweg weiter. Bei Scharmann kann man selber Baumstämme aushöhlen ("Deicheln bohren"), die dann als Leitungen für die Sole verwendet würden, wenn es das heutzutage noch geben würde.
Nun ist es nicht mehr weit zurück zur Arena. Mich hat die erste Runde immerhin 10 Stunden gekostet, und ich bin nicht der Letzte. Ich gönne mir eine Stunde Pause zum Abendessen. Kilometer 32.6. Zweite Runde: Filzenrunde15.6 km, 326 Höhenmeter*19 Uhr. Auch beim Abmarsch zur zweiten Runde ist es noch sehr warm, keine Wolke ist zu sehen. Der Weg führt ein Stück weit wieder nach Süden hinaus (wie Runde 1 auch), biegt aber nach anderthalb Kilometern rechts ab und steigt in ein kleines mooriges Hochtal (Wildenmoos) auf. Es gibt Alpakas (Lamas) zum Anschauen und Anfassen; ich bin aber wohl der Einzige der weiß wie Lama schmeckt (etwas zäh und nicht besonders interessant, siehe Chile/Bolivien 1996). Kurz danach wird in Schmelz (km 37.1) die Bergbaugeschichte der Gegend erklärt. An der Kesselalm (2.5 km weiter) könnte man das Biathlon-Schießen üben, aber da ich seit gut 25 Jahren (Y-Reisen 1985) weiß, wie gut (oder eben auch nicht) ich schießen kann, lasse ich das lieber sein.
Beim Wallnerbauern (in Wald, km 40.8) gibt es eine Verpflegungsstelle und dazu eine Bauernhofbesichtigung. Nun wird es langsam dunkel. Zwei Kilometer und eine Gegensteigung weiter kommt man an der Verpflegungsstelle "Soccerpark" an (eine Fußballgolf-Anlage). Hier ist Alpen-Kulinarik geboten: An zehn Ständen gibt es Kostproben regionaler Küche. Dafür muss man sich wenigstens eine halbe Stunde Zeit nehmen, es ist der Höhepunkt dieser Runde. Nun ist es zehn Uhr abends. Der Rückweg zum Eisstadion führt etwas umständlich durch die östlichen Vororte. Eine Abzweigung verpasse ich in der Dunkelheit, kürze dadurch ungewollt ein paar hundert Meter ab und sehe das Freibad halt nicht. Zurück am Eisstadion um 23:10, insgesamt 48.2 Kilometer. Dritte Runde: Nachtrunde25.9 km, 1038 Höhenmeter*Man könnte die Nachtrunde auch abkürzen, indem man entweder mit dem Bus nach Adlgaß fährt (um 2, 3 oder 4 Uhr), oder bis dort wandert und dann den Bus zurück nimmt. Es sind noch gut acht Stunden Zeit für angegebene 24 km und 900 Höhenmeter; die dritte Strecke müsste in dieser Zeit auch komplett noch möglich sein, ohne den Bus zu nehmen. Um 23:40 marschiere ich wieder los, entlang der Straße Richtung Norden. Merke aber erst nach vierhundert Metern, dass die markierte Route woanders sein muss - es kommen andere entgegen, die das gleiche Problem haben. Weiter abkürzen oder doch zurück und die volle Originalstrecke absolvieren? Die anstrengendere Variante gewinnt. Ein "Leidensgenosse" mit ähnlichem Tempo schließt sich mir an, da kann man ein bisschen plaudern, und die Nacht ist nicht so langweilig. Es wandert sich ganz nett durch die nächtliche Moorlandschaft. An einer Station wird das Torfstechen demonstriert. In dunkler Nacht folgt man dem Lichtschein der Vordermänner, die man immer wieder sieht (und nach Kurven dann nicht mehr). Schließlich verlässt der Weg das Moor und steigt in Richtung Teisenberg auf. Bei Holzen präsentiert der Trachtenverein Inzell seine Kunst, es ist jetzt 1 Uhr nachts. Auch die Freiwilligen beim Kulturprogramm zeigen enormen Einsatz, wenn sie den kompletten Tanz aufführen, sobald auch nur ein paar Wanderer aus der Dunkelheit auftauchen... Jetzt geht es bergauf durch den Wald auf breitem Forstweg. Die Kurven sind mit roten Baustellenlichtern markiert, so dass niemand verloren gehen sollte. Eine endlos scheinende Dreiviertelstunde später sind wir am Verpflegungsposten am Aussichtspunkt. Der Blick aufs nächtliche Inzell ist wirklich recht schön. Nach einer Viertelstunde geht's weiter, bis zum höchsten Punkt (1091 m) fehlen noch siebzig Meter Aufstieg. Danach geht es allmählich wieder bergab nach Adlgaß. Der Weg ist nun aber ziemlich schlammig und oft auch schmal, so dass man nicht viel schneller ist als im Aufstieg. Aber das ist jetzt auch egal, es wird uns wohl irgendwie gelingen, die restlichen 15 Kilometer in sechs Stunden zu schaffen. Im Forsthaus Adlgaß gibt es eine Suppe, Brot und Getränke. Drei Uhr, eine halbe Stunde Pause. Mit der Abfahrt des Busses zurück zum Eisstadion wird es deutlich leerer. Wir widerstehen der Versuchung, die paar Kilometer werden jetzt auch noch irgendwie gehen. Zum Frillensee geht es wieder bergauf. Die steilen Felswände oberhalb des Sees kann man in der Dunkelheit nur erahnen. Nach dem Steg am See vorbei marschieren wir wieder abwärts. Jetzt bin ich wirklich müde, habe den Eindruck, dass die Steine auf dem Boden immer dann einen kleinen Satz zur Seite machen, wenn ich mit der Stirnlampe daraufleuchte. Außerdem sehen die Steinchen ganz lange Zeit so aus wie Puzzleteile aus einem Stadt-Wimmelbild-Puzzle - alle blau/grau, alle sehr ähnlich. Will mich nicht weiter mit dem Puzzle beschäftigen. Für die Uhrzeit vermutlich ganz normale Halluzinationen.
Langsam wird es wieder hell, um halb fünf braucht man die Stirnlampe nicht mehr. Das Wetter ist heute - entgegen allen Prognosen - nicht so gut, ab 1000 Metern hängen die Berge in Wolken. Es wird also nicht viel Sonnenaufgang zum Betrachten geben. Beim Weiler Einsiedl gibt es Bänke zum Hinsetzen und eine Morgenandacht. Noch etwa vier Kilometer. Am Krottensee der letzte Verpflegungsposten; der Pfarrer hat Gebetsfahnen, die man beschriften kann und die dann über den Bach gehängt werden. Die Resonanz ist nicht sehr groß um diese Zeit, alle sind müde und erschöpft. Am Krottensee vorbei wird der Weg sehr schlecht, eine mittlere Schlammschlacht. Hier dürfen wir nochmal über hundert Höhenmeter Steigung absolvieren, bis es endlich wieder Richtung Stadion bergab geht. Am Steinbruch gibt es ein Gläschen Sekt zur Feier der letzten Meter; um 6:55 ist die Nachtrunde dann schließlich absolviert. Gesamt-Kilometer 74.1. Mit den müden Knochen ist es eine langwierige Sache, von den Bierbänken zum Frühstücksbuffet zu gehen. Wir haben aber auch genügend Zeit bis zur Verlosung um 8:15, bei der ich wie üblich nichts gewinne. Der Gewinn aus der ganzen Aktion ist den Teilnehmern jedoch nicht zu nehmen: Abgesehen von Blasen, Schmerzen und Müdigkeit die interessante Erfahrung, volle 24 Stunden in (fast) freier Wildbahn genossen zu haben und dabei viele schöne Eindrücke aus der Natur, aber auch aus dem Kulturprogramm am Rande mitgenommen zu haben. Dazu 74 Kilometer und 3120 Höhenmeter*. * Streckenlänge und Höhenmeter gemäß meiner GPS-Messung, manuell ergänzt durch die Landkarte 1:25000. Die Angaben im Roadbook scheinen bezüglich der Höhenmeter etwas zu übertreiben, dafür die Streckenlänge zu kurz anzugeben. Weitere InformationenDie Veranstaltung 24 Stunden von Bayern wird von Bayern Tourismus organisiert. Nach Oberpfälzer Wald, Bayerischem Wald und Frankenwald waren dieses Jahr die Chiemgauer/Berchtesgadener Alpen Austragungsort. Die Teilnahme wurde dieses Jahr verlost, weil bei der letzten Austragung bei Anmeldung über Internet nur 6 Minuten nach Öffnung der Anmeldeseite alle 444 Plätze weg waren. Für eine Teilnahmegebühr von 69 EUR bekommt man ein Starterpaket mit Stirnlampe (Primus), Sonnenmütze, T-Shirt, Trinkflasche und einer detaillierten Streckenübersicht. Inbegriffen ist Verpflegung an zehn Verpflegungsposten, ein Shuttle-Bus für diejenigen, die nicht alle Runden komplett gehen wollen, und viele durchaus interessante Präsentationen an Stationen entlang der Strecke.
© 2012 Hartmut Bielefeldt
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