Ladakh 2024:
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![]() Srinagar: Shikara zum Hausboot |
![]() Hausboot am Nigeen Lage |
Unser Fahrer holt uns zur vereinbarten Zeit zur Stadtbesichtigung ab. Wir besuchen den Festungsberg Hari Parbat, danach wird es durch einen kräftigen Monsunregen etwas ungemütlicher. Besichtigung der großen Moschee Jamia Masjid (mit einer für eine Moschee recht ungewöhnlichen Architektur), Shah-e-Hamadan Masjid und die Gartenanlage Nishat Bagh am Dal-See. Abgesehen von weiteren Moscheen und einem Gemüsemarkt auf dem See (für den man aber sehr früh aufstehen müsste) gibt es in der 1.2-Millionenstadt Srinagar nicht sonderlich viel zu sehen. Da Srinagar in Jammu-Kaschmir liegt, für das viele Staaten Reisewarnungen oder zumindest Reisehinweise ausgegeben haben, gibt es kaum internationalen Tourismus. Das hauptsächliche Klientel sind indische Touristen, die der Hitze in ihrer Heimat für einige Tage aufs Hausboot fliehen. Wir fanden es mit etwa 30° tagsüber zwar erträglicher als in Delhi, aber als angenehmes Sommerklima kann man das als Mitteleuropäer nicht bezeichnen.
![]() Hari Parbat |
![]() Jamia Masjid |
![]() Nishat Bagh, einer der Mogulgärten um Srinagar |
![]() Nigeen Lake |
Unser Guide Norbu war gestern Abend schon vorbeigekommen, um die ersten Tage durchzusprechen. Wir werden morgens um acht abgeholt und machen uns auf die Autofahrt nach Ladakh auf dem National Highway 1. Von Srinagar (1700 m) folgen wir einem grünen Tal mit bewaldeten Hängen nach Sonamarg (2600 m). Befremdlich erscheint uns, dass fast die gesamte Strecke etwa alle 300 Meter (mindestens) ein bewaffneter Soldat am Straßenrand steht. Das könnte aber auch mit dem großen Pilgerfest bei Sonamarg zu tun haben.
Aber über die 80 Kilometer gibt es auch andere Dinge, an die man sich erst gewöhnen muss: Indischer Straßenverkehr an sich. Da scheint Rücksichtnahme, die es in Deutschland ja zumindest stellenweise noch gibt, völlig unbekannt zu sein. Jede noch so kleine Lücke wird genutzt, um ein wenig schneller vorwärtszukommen als die anderen. Hupen, auf die Gegenfahrbahn ziehen und dann mal schauen, was passiert. Wenn einer entgegenkommt, vielleicht gibt der ja doch nach? Und wenn nicht, zieht man halt in der letzten Sekunde wieder nach links zurück. Die BRO (Border Roads Organisation) hat viele schöne Schilder aufgestellt, die eigentlich vor solchem Unsinn warnen sollen. Mein Favorit: "Drive like hell and soon you are there". Etwas unklarer: "Please follow traffic rules" - gibt es sowas hier überhaupt? Langweilig wird es also erst mal nicht, auch wenn unser Fahrer vergleichsweise sanft fährt.
Der erste und wichtigste Pass auf dieser Route ist der Zoji La. Ladakh ist nur über zwei Straßen erreichbar, den NH1 von Srinagar und den NH3 von Manali. Beide führen über mehrere sehr hohe Pässe und sind im Winter gesperrt. Der gesamte Warenverkehr ins Territorium Ladakh wird während der kurzen Sommersaison mit Lastwagen über diese jeweils etwa 400 km langen Routen abgewickelt; dabei gibt es wegen Übermüdung der Fahrer, schlechtem Rollmaterial oder Wettereinflüssen häufig Unfälle. Der Zoji La wird aktuell untertunnelt, die Straße soll 2026 fertigwerden und damit erstmals eine ganzjährige Verbindung von Ladakh ermöglichen. Das ist eine eindrucksvolle Baustelle, die in etwa den Umfang eines Arlbergtunnels (mit Zufahrten) hat und für Indien auch ein sehr bedeutendes strategisches Projekt.
![]() Zoji La Passstraße |
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![]() Zoji La |
Nach Passieren des Zoji La (3550 m) ändert sich die Landschaft sehr schnell: Bisher fuhren wir durch voralpenähnliches Gebiet mit Wäldern und Wiesen wie im Bregenzerwald, nun wird es schnell karg und trocken. Wir passieren Drass, Indiens kältesten bewohnten Ort. Eine besondere Lage beschert dem Ort im Winter Temperaturen, die oft unter -25° und im Rekord bis -45° fallen können. Auch politisch ist Drass sehr exponiert, die Line of Control ist nur wenige Kilometer entfernt. 1999 gab es hier den letzten Krieg mit Pakistan. Die Distrikthauptstadt Kargil hatte früher wohl eine gewisse Bedeutung als Knotenpunkt von Karawanenrouten zwischen Kaschmir, Ladakh und Baltistan, heute aber außer einem Markt nicht viel zu bieten.
Kurz hinter Kargil hat sich ein Stau gebildet. Ein Verrückter würde Steine auf Autos werfen hören wir. Tatsächlich kommt da ein ziemlich aggressiver Mann mit einem Stein in Händen auf uns zugerannt. Als er etwa 50 Meter entfernt ist, vollführt unser erstaunter Fahrer eine sehr schnelle Wendung. Zusammen mit allen anderen im Stau umgehen wir das Problem auf einer Nebenstraße, die unseren ortskundigen Begleitern bekannt ist. Was man nicht alles so erlebt...
Wir biegen bei Shergol in ein Seitental ab und erreichen im Weiler Serjing (3250 m) einen Homestay, wo wir es uns in einem Dreib(r)ettzimmer gemütlich machen.
Vom Parkplatz oberhalb des "Dorfs" (3420 m) durchwandern wir eine sehr enge Schlucht auf gut befestigtem Weg. Der Weg wird gerade an einigen Stellen repariert, weil in 2 Wochen ein großes Pilgerfest stattfindet. Auf 3700 m liegt ein kleines Kloster auf einem Bergrücken. Gegenüber im Fels liegt das Felsenkloster Urgyen Dzong, wo der Legende nach Padmasambhava im 8. Jahrhundert meditiert und dadurch die Gegend von bösen Geistern befreit hat. Nach der Klosterbesichtigung und einer Mittagsrast machen wir uns auf den Rückweg; es ist sonnig und sehr warm und es gibt auf der Höhe kaum Schatten. Hier wachsen nur wenige Bäume an den Orten, wo Quellwasser zutage tritt.
![]() Weg durch die Schlucht zum Einsiedlerkloster |
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![]() Urgyen Dzong |
Vom Homestay geht es wieder ins Haupttal mit Besichtigung des Eremitenklosters Shergol, der großen Buddhastatue am Ortseingang von Mulbekh und des Klosters oberhalb Mulbekh. Langsam sind wir ein bisschen überklostert und daher auch nicht böse, dass der Mönch mit dem Schlüssel fürs letzte Kloster nicht aufzufinden ist.
Wir fahren wieder zurück über Shergol auf den Sapi La (4400 m). Die Straße ist schmal, aber in sehr gutem Zustand. Sie dürfte höchstens 2-3 Jahre alt sein. Offenbar gibt es immer noch genügend neue Aufgaben für die BRO, sich auch in die letzten Winkel des Landes vorzuarbeiten. Aber auch verständlich, wer will heutzutage noch in einem Weiler mit 2 bis 3 Tagesmärschen Anreise leben?
Auf der anderen Seite kommen wir nach Sapi, die Position des Homestays ist nicht so ganz klar. Am Ende einer abenteuerlichen Piste müssen wir ein wenig warten, bis Norbu uns zum richtigen Haus geleitet. Das Gepäck ist schon da, die Helfer haben es den Fußweg hochgetragen.
Dieser Homestay ist ein Bauernhaus auf 3980 m, von Gerstenfeldern umgeben. Hier lebt man einfacher: Die Toilette ist ein Plumpsklo, der Weg führt außen ums Haus herum. Wasser zum Waschen gibt es am Bachlauf neben dem Haus. Abendessen und Frühstück sind gut und ausreichend, wir gewöhnen uns an die ladakhische Küche.
Die Bauern haben mehrere Yaks; eine Yak-Kuh und ihr Kleines sind im Stall neben dem Haus, das Mini-Yak sieht sehr niedlich aus. Nach dieser Nacht wissen wir auch, warum sie Grunzochsen heißen.
![]() großer Buddha von Mulbekh |
![]() Homestay auf 4000 m |
![]() ein komfortables Zimmer |
![]() Yak und Yäkchen |
Bald nach dem Aufbruch ein erstes technisches Problem: Die Batterie von Ninas MP3-Player macht schlapp. Trotzdem wird nicht umgekehrt, Nina macht stattdessen Konversation mit uns und Norbu. Wir marschieren endlose Wiesenhänge aufwärts. Oberhalb 4000 m blühen viele Blumen, hier liegen die Weidegebiete. Bis wir endlich am Gletschersee auf 4700 m ankommen, dauert es drei Stunden. Norbu zaubert aus seinem Rucksack eine Melone hervor, die weit größer als unser Hunger ist. (Der Rest kommt natürlich gut verpackt wieder mit runter.) In einer spektakulären Hochgebirgsszenerie besteigen wir den kleinen Hügel neben dem See mit 4785 m und steigen wieder zum Homestay ab.
![]() unterwegs zum Sapi Lake |
![]() Sapi Lake, 4700 m |
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![]() Edelweiß |
Weiterfahrt über den Namika La zum nächsten Homestay in Yogmal (3630 m). Hier gibt es wieder ein Bad mit Sitzkeramik und bis auf kurze Unterbrechungen auch Strom. Abends ein längerer Regenschauer.
![]() Das Auto kommt vom Parkplatz, wir steigen erst hier ein |
![]() Unterwegs am Namika La |
Kurzfristig hat unser Guide erfahren, dass im naheliegenden Nonnenkloster Bodhkarbu das jährliche Klosterfest stattfindet. Der etwa dreistündige Maskentanz ist ein interessantes Spektakel, wobei wir allerdings die Details der Darstellung nicht wirklich durchschauen.
![]() Nonnenkloster Bodhkarbu |
![]() Maskentanz beim Klosterfest |
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Mittags zurück am Homestay; ein kurzes, aber kräftiges Gewitter lässt die Bachläufe sehr schnell ansteigen; das Wasser fließt in der kargen Landschaft schnell oberflächlich ab und sammelt sich im Tal, wo es stellenweise auch zu Schäden an Wegen oder Brücken führt.
Nachmittags wandern wir auf einen kleinen Vorgipfel (4049 m) eines Berges, der als Barqphoche in der Landkarte eingezeichnet ist. Da die Route auf dem Gratrücken verläuft, sind wir weit genug von möglichen Überschwemmungen weg.
Wir fahren weiter Richtung Leh, bleiben aber an der Abzweigung zum dritten Pass (Fotu La) im Tal und erreichen am Ende einer sehr engen Schlucht mit holprigem Sträßchen das Dörfchen Kanji (3840 m). Hier kommt der Rest der Mannschaft dazu: Koch Namgyal und Helfer Tashi. Unsere Zelte werden aufgebaut, die Küche wird in einem kleinen Zimmer eines Gebäudes installiert, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Aber das Dach ist dicht, das ist bei dem nachmittäglichen Regenwetter am wichtigsten. In einem Zimmer ist auch ein "Store" zu finden, wo wir erst mal den gröbsten Regenschauer abwarten können.
![]() Das Team kommt: Helfer Tashi und Koch Namgyal |
![]() Lagerplatz in Kanji (3840 m) |
![]() Abendessen "drinnen", draußen regnet es |
Der Trekking-Alltag beginnt morgens um sieben mit dem Morning Tea; danach packen wir unsere Sachen ein und sind um 7:30 beim Frühstück. Der Horseman kommt mit Pferden und Eseln; während wir frühstücken, werden unsere Zelte abgebaut. Wir brechen um 8 Uhr mit Norbu auf; inzwischen wird der Rest des Lagers eingepackt, und im Lauf des Tages wird uns dann die Karawane überholen und das nächste Lager vorbereiten.
Wir wandern durch ein sehr flaches Tal, zuerst etwas monoton auf einem Fahrweg. Bald gibt es aber Abwechslung: Ein knietiefer Bach muss durchquert werden. Nach der Alpe Dumbur, wo Schafe und Ziegen grasen, geht es mit großartiger Aussicht auf spektakuläre Felsberge in verschiedenen (hauptsächlich abschreckend steilen) Formen und Farben weiter auf den Pass zu. Kurz vorher erwischt uns ein kurzer Regenguss; direkt am Pass (4730 m) trifft auch unser Lastentransport ein.
Auf der Landkarte sah der Abstieg recht kurz aus, tatsächlich aber queren wir lange Zeit durch steile Hänge oberhalb von tief eingegrabenen Schluchten. Wieder kommt Regen auf, das macht die Bachquerung kurz vor dem Lagerplatz ziemlich abenteuerlich. Wir können auch nicht auf niedrigeren Wasserstand warten, denn durch den Regen wird er den Rest des Tages eher noch zunehmen. Also müssen wir rüber, solange es überhaupt noch geht. Wir kommen gemeinsam mit den Lasttieren am Lagerplatz an, dort steht freundlicherweise schon das Zelt eines Hirten, in dem wir uns erst mal unterstellen können. Langsam lässt der Regen nach, und bald ist das Lager aufgebaut. Zum Abendessen können wir draußen sitzen.
![]() Blick zurück nach der Flussquerung |
![]() Die Alpe Dumbur |
![]() Das Tal weitet sich |
![]() kurz vor dem Pass |
![]() Der Fluss führt schon recht viel Wasser |
![]() Zum Abendessen ist es wieder schön |
Morgenroutine wie gestern. Der Weg führt mehr oder weniger querend über mehrere Seitenbäche, die sich aber mit normalen Schuhen überwinden lassen. Danach erst mäßig steil durch Wiesengelände vorbei an vielen vorgelagerten Felszacken, dann durch steile Schotterhalden hoch zum Shinguche La, 5146 m. Auf der anderen Seite geht es anfangs über monotone Schotterhalden hinab, dann am Bach flankiert von eindrucksvollen Felsformationen. Lagerplatz auf 4710 m vor einer Bachquerung, die morgen früh vermutlich einfacher ist.
Claudia erkundet nachmittags einen möglichen Zugang zum Nigutse South bis 5100 m. Der Berg sieht durchaus interessant aus, aber es findet sich weiter oben im geröllbedeckten Gelände kein geeigneter Lagerplatz. Von hier aus wäre es mit über 1000 Höhenmetern zu weit für einen Tag, wenn man unsere noch recht schlechte Akklimatisation bedenkt.
Unter Geblöke - wir werden den Großteil der Strecke von einer Herde von etwa 300 Schafen begleitet - machen wir uns auf den Weg nach Süden, wo am Spang Nala die Basis für unsere Bergbesteigung entstehen soll. Der Pfad quert mit leichtem Auf und Ab etwa 5 km weit, bis wir vor dem Problem des Tages stehen: Die Flussquerung des Spang Nala ist knapp hüfttief und ziemlich reissend, bei typischer Gletscherbach-Temperatur.
Auf der anderen Seite ist kurz danach unser Lagerplatz erreicht, bald kommen die anderen drei mit den Pferden und bauen die Zelte auf. Der Nachmittag ist eher kalt und windig, aber der Platz bietet schöne Blicke auf vergletscherte Berge im Hintergrund und auch unser Ziel für morgen, das sich direkt hinter dem Lager erhebt.
![]() Frühstück |
![]() Bald geht´s wieder an die Arbeit |
![]() Eigenartige Felstürme flankieren die Hochebene |
![]() Diesen Berg werden wir morgen besuchen (und benennen) |
![]() Die härteste Flussquerung dieser Reise |
![]() Lager auf 4840 m |
Aufbruch morgens um fünf, um diese Zeit wird es einigermaßen hell. Durch mehr oder weniger steile Schutthänge suchen wir den besten Zugang zum Nordwestgrat unseres Berges. Der Grat selbst ist ein sehr einfacher Schuttrücken. Leider ziehen sich die Wolken immer mehr zu, so dass wir kaum Aussicht haben und auch nicht erkennen können, wo sich der eigentliche Gipfel befindet. Auf 5620 m kommt von links der Nordwestgrat hinzu, und nun steigt der Gratrücken nach Süden hin langsam weiter an. Nach zwei Vorgipfelchen sind wir am offenbar höchsten Punkt, das GPS zeigt 5699 bis 5700 m. Es sind keine Anzeichen vorheriger Besuche zu erkennen: keine Gebetsfähnchen, kein Steinmann, und auch nichts was nach umgefallenem Steinmann aussieht. Wir sind also wohl tatsächlich die ersten auf diesem Gipfel. Ein seltsames Gefühl.
Wir bauen ein kleines Steinmännchen - Material gibt es genug - und stecken einen Zettel mit unseren Namen, in eine Plastiktüte verpackt, hinein. Gebetsfähnchen haben wir leider keine dabei, die wollten wir erst in Leh kaufen. Ein bisschen Aussicht können wir in verschiedene Richtungen genießen, soweit uns das die Wolken zulassen, dann steigen wir wieder auf demselben Weg ab. Anderthalb Stunden Abstieg zum Lager; der Aufstieg hatte vier Stunden gedauert.
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![]() Suche nach dem optimalen Zugang |
![]() Der Gipfelgrat zieht sich |
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![]() Das wird wohl der Gipfel sein |
![]() Aussicht nach Süden. Viele Berge, wenige Namen. |
![]() Südwesten, Berge im Talschluss des Spang Nala |
![]() Das erste Steinmännchen auf diesem Berg |
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![]() Abstieg |
![]() Hintergrund (unseres) Spang Nala Valley. Da gäbe es noch einiges zu tun. |
Rest des Tages, wie man so schön sagt "zur freien Verfügung". Ausruhen, Schlafen, Essen, Monopoly oder Uno spielen.
Eine entspannte Wanderetappe: Anderthalb Stunden Abstieg durch das Tal zur Straße am Sirsir La. Keine Flussquerungen oder sonstige Abenteuer; unterwegs treffen wir einen Schäfer, etwa 300 Schafe und diverse Ziegen, und sonst niemand. Auch die restlichen Tage war außer uns und einigen örtlichen Hirten niemand unterwegs gewesen.
Der Horseman bekommt die restlichen Lebensmittel und macht sich mit seinen Tieren auf den Weg zurück nach Kanji, denselben Weg zurück wie unsere Trekkingroute.
Bald kommt ein Kleinbus, in dem wir alle zusammen mit der Ausrüstung nach Leh gebracht werden. Die Straße nach Hanupatta ist anfangs nur ein Feldweg, aber überall wird irgendwas gebaut. Vermutlich sind in dem ganzen Tal mehr Gastarbeiter aus Bihar als Einwohner. Das Tal verengt sich zu einer sehr schmalen Schlucht; nach 30 Kilometern kommen wir auf den NH1 - endlich wieder eine zweispurige Straße. Die Strecke führt nun großteils am Indus aufwärts. Es gibt zwar immer wieder etwas bewässerte Fläche neben dem Fluss, dazwischen aber auch schluchtartige Abschnitte. Richtig viel nutzbarer Platz für Siedlungen findet sich hier nicht.
Nach etwa fünf Stunden Fahrt kommen wir in Leh im Yartsa Guesthouse an, wo uns Gastwirtin Diskit freudig begrüßt. In der Stadt finden wir an Stelle des Penguin Restaurant nun einen anderen Namen "Lamayuru", aber zumindest gibt es dort ansatzweise westliches Essen (wenn es auch nicht an das Chicken Cordon Blue des Penguin herankommt).
![]() Strahlender Morgen: Der Chomotang ist etwas über 6000 m hoch. |
![]() Wir marschieren talauswärts zur Straße. |
![]() Die Straße ist anfangs ziemlich rustikal |
Ruhetag, und auch kein Besichtigungsprogamm - in Leh haben wir das eine oder andere sowieso schon gesehen. Ein besonderer Luxus ist, dass wir im Guesthouse unsere Wäsche gewaschen bekommen, vielen Dank an Diskit.
Den Tag schlendern wir über den Markt, wo eine Kunsthandwerk-Ausstellung stattfindet, und schauen uns den einen oder anderen Laden an.
Zwei Randnotizen: Leh hat inzwischen einen Supermarkt, dort findet man viele normale Lebensmittel zum MRP (maximum retail price, dieser ist auf dem Artikel aufgedruckt und meist recht günstig), aber auch viele Importartikel wie Käse und Schokolade, die teilweise zu abenteuerlichen Preisen zu haben sind (nicht ausgezeichnet und zu erfragen). Außerdem gibt es am Stadtrand einen Decathlon-Laden, dessen Angebot aber noch sehr ausbaufähig ist (ein paar Jacken hängen im Verkaufsraum).
Beim Beer Shop treffen wir den Ladeninhaber aus Kanji wieder, er kauft hier das Bier, das er in Kanji in seinem Store anbietet.
Abendessen mit Norbu im "Lamayuru".
![]() Yartsa Guesthouse, Leh |
![]() Der wunderschöne Garten des Guesthouse |
![]() Bild mit Diskit, der Guesthouse-Besitzerin |
![]() Fußgängerzone, Leh |
Unser Guide Abhishek, der uns für den nächsten Trek begleiten wird, holt uns morgens um 8 Uhr ab. Namgyal und Tashi sind wieder dabei. Wir fahren über Karu und Upshi auf dem Manali-Leh-Highway über den 5330 m hohen Taglang La zum Tsokar - diese Strecke kennen wir bereits von unserer Ladakh-Reise 2015 her. Diesmal geht es am Nordrand des Salzsees zum Pologongka La. Die Straße ist schmal, aber offenbar neuerdings geteert worden; teilweise sind noch Arbeiten im Gang.
Am Pass (4980 m) starten wir mit Abhishek bei bewölktem Wetter, um einen Lagerplatz zu finden. Der Rest der Mannschaft wartet an der Straße auf die Lasttiere. Nach anderthalb Stunden ist ein geeignetes Gelände auf 5280 m gefunden. Es beginnt zu regnen, aber von den Pferden ist lange nichts zu sehen. Wir warten eine Stunde zu viert unter einem Regenschirm, bis endlich die Mannschaft auftaucht. Der Lageraufbau läuft dann aber schnell und gut organisiert ab.
Im Gegensatz zum ersten Trek folgen wir hier keiner etablierten Trekkingroute, sondern möchten die wenig bekannte Pologongka-Gebirgsgruppe erkunden. Entsprechend kennt sich hier niemand aus, und es gibt keine etablierten Zeltplätze, an denen Flächen eingeebnet wären, auf die man ein Zelt stellen kann. Der beste Kompromiss ist eine steinfreie Fläche mit etwa 5 bis 10 Grad Neigung für unser Zelt. Die Nacht wird nicht sonderlich bequem, weil wir mit der Isomatte immer Richtung Zeltausgang herunterrutschen.
In der Nacht gab es oberhalb etwas Neuschnee: Die Berge sind angezuckert, das Wetter sieht durchwachsen aus. Wir erkunden den weiteren Verlauf des Tals. Gelegentlich sind Wegspuren und Steinmännchen zu sehen, insgesamt ist das Hochtal aber eine ziemliche Schuttwüste, die von sehr karger Vegetation unterbrochen wird. Am Ende einer flachen, schuttigen Ebene erreichen wir den Pass (5815 m), von dem aus wir einen Blick auf den Chomo Chonkar Lake auf der anderen Seite werfen können. Er ist mit 5650 m einer der höchstgelegenen Seen Ladakhs, etwa einen Kilometer lang.
Wir scheuen die Gegensteigung auf dem Rückweg und gehen nicht in die abflusslose Senke zum See hinunter. Da das Wetter trotz Bewölkung ganz anständig aussieht und die 550 Höhenmeter bis hier recht zügig gingen, wenden wir uns nach Norden auf den nächstgelegenen Gipfel zu. (Der Berg im Süden sieht mit seinen steilen Geröllflanken recht unnahbar aus.) Nach zwei Stunden durch eine mühsame, aber einfache Geröllflanke sind wir am Gipfel des Chomo Chonkar Ri I; das GPS zeigt 6200 Meter. Trotz einiger Wolken gibt es eine ganz gute Rundumsicht, und wir können von hier aus endlich auch das Hauptziel, den Pologongka, in Augenschein nehmen.
Für den Abstieg wählen wir den Nordrücken, gehen über ein kleines, fast spaltenfreies Gletscherchen zum Pass unterhalb des Pologongka, dann an einem zugefrorenen See vorbei zurück durch lange Geröllebenen und -täler zu unserem Lagerplatz.
Nina hat schlecht geschlafen und legt einen Ruhetag im Lager ein.
![]() Weiter oben hat es etwas geschneit. |
![]() Chomo Chonkar Lake, 5650 m |
![]() Wir steigen weiter durchs Geröll |
![]() Chomo Chonkar Ri I, 6200 m |
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![]() Abstieg zur anderen Seite |
Diese Nacht gab es Frost, aber im Zelt ist es mit 8° noch recht gemütlich.
Da das Lager für den Pologongka zu niedrig liegt, wird heute ein Lagerplatz 300 Meter höher bezogen. Nach gestrigem Augenschein gibt es auf 5650 m eine Lagermöglichkeit. Eigentlich wollte Abhishek noch höher gehen, aber die Pferde können nicht durch das Blockgelände ins Hochtal steigen. Außerdem wäre seine geplante Übernachtungshöhe von 5900 m wohl für niemanden sehr komfortabel und von den Gipfelhöhen her auch unnötig.
Claudia und Nina gehen noch bis zum Chomo Chonkar La weiter, um einen Blick auf den See zu werfen. Nachmittags - zum Glück nachdem das Lager fertig ist - gibt es einige Graupelschauer, dazwischen aber immer wieder Sonne. Abends entdecken wir im Vorzelt eine kleine Maus, die ziemlich hungrig aussieht.
![]() Nachmittags wieder Schneeschauer |
![]() Später ist es wieder schön. |
![]() Monopoly auf 5650 m |
![]() Ein kleiner, hungriger Besucher |
Gipfeltag für den Hauptgipfel der Gruppe, den Pologongka. Nachdem Nina sehr schlecht geschlafen hat, planen wir spontan um: Ich mache mit Abhishek einen Versuch am Chono Chonkar Kangri, wir starten morgens um sechs. Das Wetter schaut nicht sehr positiv aus, es ist bewölkt und es weht ein starker Wind. Die Nordflanke des Bergs besteht hauptsächlich aus losem Gebrösel, in dem man nur sehr mühsam vorwärtskommt. Die Schneefelder sind nur eine dünne Schneeauflage auf hartem Blankeis, das bei der Steilheit (>45°) nicht unbedingt sein muss. So endet dieser Versuch schon auf 5935 m, und wir werden also leider nicht erfahren, ob dieser Berg noch unbestiegen ist. Wenn er es ist, wird er es auch erst mal bleiben.
Bei besserer Routenwahl weiter links wären wir möglicherweise ein Stück höher gekommen, vermutlich wäre es aber weiter oben genauso steil und lose geworden.
So sind wir schon um acht Uhr wieder im Lager.
Claudia und Nina brechen um neun mit Abhishek zum Chomo Chonkar Ri I auf. Bei der Routenwahl zeigen sich offenbar einige Unterschiede in den Einschätzungen indischer Führer und deutscher Fachübungsleiter. Letztere setzen sich durch, und so erreichen sie nach 3 1/2 Stunden den Gipfel und damit Ninas ersten Sechstausender.
Zum Glück sind sie um 14 Uhr wieder im Lager: Nachdem es um die Mittagszeit sonniger gewesen war, graupelt und regnet es den ganzen Nachmittag immer wieder.
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![]() Hinter dem Moränenhang kommt man zum Eissee |
![]() Eissee (5930 m) |
![]() letzte Meter am Chomo Chonkar Ri I |
![]() Ninas erster Sechstausender |
![]() Abstieg Richtung See bzw. Chomo Chonkar La |
Ninas Begeisterung für einen weiteren Sechstausender hält sich in Grenzen, also gehen Claudia und ich mit Abhishek ohne sie zum Pologongka. Nach dem zugefrorenen See sind wir bald am Gletscher und queren ein spaltenfreies Gletscherbecken zum Ostgrat des Pologongka. Die 250 Höhenmeter am Grat ziehen sich endlos, man spürt sehr deutlich die Höhe. Die Route ist nicht weiter schwierig, wir können ohne Seil gehen: Die paar kleinen Spalten sind gut zu erkennen. Gegen Ende flacht sich der Grat immer weiter ab und wird zum Gipfelplateau. Der höchste Punkt ist durch Gebetsfähnchen markiert, 6385 m - unser höchster Berg seit dem Ojos del Salado (und der ist schon 18 Jahre her).
Wieder sind einige Wolken aufgezogen, die es dem Panorama schwer machen. Im Süden sieht man gut den Tsomoriri, den Spangnak Ri und die Mentok- und Gyama-Kette, wo wir 2015 unterwegs gewesen waren; links vom Tsomoriri die Chamser-Lungser-Gruppe, die schon seit 10 Jahren für Touristen nicht zugänglich ist. Jenseits des Indus ist nur die Pyramide des Chakula zu erkennen. Wir hängen unser Gebetsfähnchen auf und machen uns nach einer halben Stunde auf den Rückweg. Runter bis zum Lager brauchen wir nicht mal zwei Stunden.
![]() Aufstieg zum Pologongka |
![]() Chomo Chonkar Ri I |
![]() Beginn des Nordostgrats |
![]() ein paar kleine Spalten |
![]() Der Gipfel ist ein flaches Plateau |
![]() Pologongka (6385 m) |
![]() Aussicht zu Tsomoriri und Gyama Peaks (besucht in 2015) |
Im Lager werden wir mit Saft empfangen und sollen auch gleich das entgangene Mittagessen bekommen; es scheint schwer zu vermitteln zu sein, dass man an einem anstrengenden Tag in der Höhe gar keinen großen Hunger hat. Auch Ausruhen im Zelt hilft nicht: Nach kurzer Zeit bekomme ich eine Frei-Zelt-Lieferung Nudelsuppe, Nudeln mit Salat, Schwarztee und Melone.
![]() Nina, Abhishek, Tashi, Namgyal, Claudia, Hartmut |
![]() Es gibt auch Kuchen mit den Berghöhen |
Frühstück um 7:30, wir sind um 8 Uhr abmarschbereit. Da zuerst das Lager abgebaut werden muss, geht es erst um 9 Uhr los. Nach einer Stunde sind wir am Pass an der Straße und warten noch eine Zeitlang, bis die Lasten eintrudeln und die Pferde entladen sind. Danach geht das Warten weiter, denn es ist kein Auto da. Da es am Pass keinen Handyempfang gibt, wird Namgyal einem vorbeikommenden Fahrzeug mitgegeben, damit er im nächsten Ort die Lage klären kann.
Das Auto kommt erst um 12 Uhr, unerwarteterweise aus Osten. Es gab wohl Probleme am Taglang La, so dass der Fahrer 200 Kilometer Umweg nehmen musste. Die Fahrt nach Leh - 170 km - dauert vier Stunden, am Ende in dichtem Verkehr. Wir sind wieder froh, hier nicht selber fahren zu müssen.
![]() Bald ist der Pass in Sichtweite |
![]() Unser Tal, der Pologongka selbst ist nicht zu sehen |
![]() Warten auf den Bus |
Ruhetag, Souvenirkäufe. Abendessen im Restaurant Bon Appetit (das ist nordwestlich der Upper Tukcha Road), das hatten wir bislang noch nicht gefunden gehabt: Dort gibt es nahezu westliche Küche, und sogar Bier.
![]() Leh |
![]() Frühstück im Guesthouse |
Zum Glück hatte ich gestern abend noch beim Prüfen der Mails gesehen, dass unser Flug von Leh nach Delhi von 14 Uhr auf 10:20 vorverlegt wurde, sonst hätten wir am Flughafen eine böse Überraschung erlebt. Wahrscheinlich war die Auslastung der Flüge zu gering, so dass man sie zusammengelegt hat.
Nach einer Stunde Flugzeit sind wir in DEL und finden im üblichen dortigen Chaos ein halbwegs offizielles Taxi mit garantiertem Fahrpreis, das uns zu unserem vorab gebuchten Hotel bringt. Der internationale Flug geht um Mitternacht, so dass wir eigentlich nicht in Delhi übernachten. Ein Hotelzimmer war aber günstiger als die Gepäckaufbewahrung für 12 Stunden. Das Hotel ist natürlich nur mittlerer Standard, aber wir können dort gut den Nachmittag verbringen. Jegliche Ambitionen zu Sightseeing sind nach einem kurzen Ausflug zum nächstgelegenen Lebensmittelkiosk verflogen: Das Wetter ist immer noch genauso wie vor drei Wochen, freiwillig verlassen wir das halbwegs klimatisierte Zimmer nicht mehr.
![]() Flug über den Himalaya nach Delhi |
![]() Delhi |
Drei Stunden vor Abflugzeit sind wir wieder am Flughafen. Den Check-in-Schalter finden wir schnell, es ist der mit der längsten Schlange im ganzen Flughafen. Es scheint jeder eine Unmenge an Übergepäck dabei zu haben, das dann erst mal umgepackt, erneut gewogen und nochmals umgepackt wird, bis man dann zum Übergepäckschalter zum Bezahlen verschwindet. Diese Leute haben aber ganz offensichtlich mehr als 20 kg dabei. Bei uns ist das Problem dagegen ein anderes: Nach einer Stunde sind wir dran und werden mit der Frage konfrontiert, wie wir unser Übergepäck zahlen möchten - denn das Reisegepäck sei ja nur bis Taschkent gebucht. Mit Hilfe des Ausdrucks von der Flugbuchung können wir zwar das Gegenteil beweisen, aber um das indische Buchungssystem davon zu überzeugen, braucht es noch mehrere höhere und noch höhere Flughafenbedienstete.
Die Passkontrolle nimmt eine weitere Dreiviertelstunde in Anspruch. Danach kommt noch die Sicherheitskontrolle mit einer guten halben Stunde. Natürlich wird wieder die Anzahl der Batterien bemängelt und in einem Büchlein genau notiert, für welchen Zweck wir wieviele Batterien dabeihatten.
So sind wir erst kurz vor der Boardingzeit am Gate, mit einem Bärenhunger - eigentlich wollten wir uns noch ein Restaurant im Duty-Free-Bereich fürs Abendessen suchen. Stattdessen nur schnell ein paar Gebäckstückchen vom Bäckerstand am Gate, um direktes Verhungern zu verhindern.
Nachdem beim Einsteigen die drängelnden usbekischen Mütterchen mit ihrem zu großen Handgepäck vom Personal aussortiert wurden, sitzen wir endlich im Flieger von Uzbekistan Airways nach Taschkent. Jetzt wird alles gut: Die Sicherheitsunterweisung per Video ist äußerst sehenswert (hier der Link zum Youtube-Video), und es gibt auf dem nur zweieinhalbstündigen Flug ein vollständiges Essen.
In Taschkent überbrücken wir drei Stunden im Transit, dann folgen sieben Stunden Flug nach Frankfurt mit Abendessen und Frühstück. Von Frankfurt geht es dann mit der Bahn ohne Schwierigkeiten nach Hause. Etwas lang ist dieser Tag natürlich auch wieder: Von Leh aus gerechnet, sind wir 34 Stunden unterwegs.
Es war manchmal anstrengend, manchmal auch deutlich jenseits der Komfortzone, und nach drei Wochen ist man auch wieder ganz froh über die gewohnte Umgebung zuhause. Trotzdem kann man rückblickend sagen, es war ein großartiger Urlaub mit tollen Herausforderungen und Erfolgen.
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Letzte Änderung am 15. Dezember 2024 durch Hartmut Bielefeldt