Geschichtliches um den Kamet

Der Kamet ist in der Geschichte des Höhenbergsteigens nicht ganz unwichtig: Die Gegend wurde um 1855 von den Schlagintweit-Brüdern erforscht, und schon 1913 wurde der Meade's Col (7138 m) zwischen Kamet und Abi Gamin erreicht. 1920 kam Dr. Alexander Kellas (der bei der ersten großen britischen Everest-Erkundung 1921 während des Anmarschs durch Tibet verstarb) bis zum Meade Col. Erst 1931 gelang die erste Besteigung durch eine von Frank Smythe geleitete britische Expedition. Fünf Jahre sollte der Kamet der höchste von Menschen bestiegene Berg bleiben, bis die Nanda Devi (7816 m) von einer britisch-amerikanischen Expedition bestiegen wurde. Von Expeditionen in den Jahren nach der Erstbesteigung ist nur sehr wenig überliefert. Seit 1962 war das Gebiet für Ausländer gesperrt, da es sehr nahe an der tibetischen Grenze liegt. In den vergangenen 40 Jahren haben fast ausschließlich indische Militär-Expeditionen den Kamet bestiegen; ausführliche Beschreibungen wurden nicht veröffentlicht.

Der höchste bestiegene Berg in der Geschichte des Alpinismus
16. Jh. 6723 m Llullaillaco wurde bereits von Inka-Priestern für Opferzeremonien bestiegen
1906 7120 m Trisul
1930 7483 m Jongsong Peak
1931 7756 m Kamet
1936 7816 m Nanda Devi
1950 8091 m Annapurna
1953 8850 m Mount Everest

Besteigungsgeschichte des Kamet

1848

Erste Bestimmung von Höhen und Positionen der vier Hauptgipfel der Kamet-Gruppe (Kamet, Abi Gamin, Mukut Parbat, Mana) durch Richard Strachey [3].

1855

Robert und Adolphe Schlagintweit erreichen die Kamet-Gruppe von Norden (Tibet) her. Sie berichten, am Kamet bis 6700 m gekommen zu sein. Das war jedoch eine Verwechslung mit dem Abi Gamin, der dem Kamet im Norden vorgelagert ist. Um von Tibet aus an den Kamet zu gelangen, muss man den Abi Gamin überschreiten [3].

1877

Erreichen einer Höhe von 6718 m auf der Westseite des Abi Gamin (oder am Mukut Parbat, der damals als Abi Gamin West bezeichnet wurde - daher gibt es häufig Verwechslungen) bei Vermessungsarbeiten durch I.S. Pocock [1].

1907

Erkundung durch T.G. Longstaff, C.G. Bruce, A.L. Mumm, Alexis und Henri Brocherel vom Raikana-Gletscher aus über den East Kamet Glacier (also von Osten her). Sie schätzen die Engstelle im mittleren Teil des East Kamet Glacier als zu gefährlich ein und versuchen über Schneefelder und Grate nach Norden auszuweichen. Dort findet sich jedoch kein praktikabler Zugang zum Kamet - die Ostseite des Berges scheint damit keine Möglichkeit zu bieten, den Gipfel zu erreichen. Sie versuchen, den Berg von Westen her zu erreichen, kommen jedoch wegen schlechten Wetters nicht weit [1].

1910

C.F. Meade mit den Führern Alexis Brocherel und Pierre Blanc kommt auf der Westseite wegen Schlechtwetters nur bis zum Khaiam Pass, 5880 m. [1]

1911

A. Morris Slingsby und H. de Crespigny versuchen sich an der Westseite der Kamet-Gruppe. Sie erreichen den Pass zwischen Abi Gamin West und Abi Gamin East (Slingsby's Col, ca. 6700 m), müssen aber auf dem Weg zum Abi Gamin East im tiefen Schnee umkehren. [1]

1912

C.F. Meade kehrt mit Pierre Blanc, Franz Lochmatter, Justin Blanc und Jean Perrin zurück und kommt am Abi Gamin bis über 7000 m; Schlechtwetter und Höhenkrankheit zwingen sie zum Abbruch. Sie stellen fest, dass der Abi Gamin (East) nicht einfach eine kleine Schulter im Nordgrat des Kamet ist, sondern ein selbstständiger Berg, und die notwendige Überschreitung dieses Gipfels auf dem Weg zum Kamet von Westen aus wäre sehr aufwändig. [1]

1913

C.F. Meade und Pierre Blanc sind nun an der Ostseite unterwegs. Die Engstelle erweist sich als gut begehbar, die Hauptschwierigkeiten liegen in einem kombinierten Hang auf ca. 6400 m. Lager 4 wird auf 6700 m aufgestellt; sie erreichen zwar den breiten und einfachen Sattel zwischen Kamet und Abi Gamin East (der seitdem Meade's Col heißt, 7138 m), können dort aber kein Zelt aufstellen, weil sie für den Weiterweg zu erschöpft und zu schlecht akklimatisiert sind und der Schnee zu schlecht ist. [1]

1913

Zweiter Versuch von Slingsby auf derselben Route, diesmal auf über 7000 m vor dem Gipfel des Abi Gamin East durch einen Schneesturm zur Umkehr gezwungen. [1]

1920

A.M. Kellas und H.T. Morshead erreichen - drei Wochen nach Ankunft im Basislager - den Meade's Col und kommen am Gipfelgrat bis 7200 m. Da ihre Lastenträger sich weigerten, weiterzugehen oder ein Lager am Meade's Col einzurichten, konnte weder der Kamet noch der Abi Gamin bestiegen werden. [1]

1931

Erfolgreiche Expedition (Frank Smythe, E.B. Beauman, E.St.J. Birnie, C.R. Greene, R.L. Holdsworth, Eric Shipton).

Nach nur zwei Wochen nach Ankunft im Basislager war der Gipfel erreicht - für einen hohen Siebentausender eine ziemlich sportliche Leistung. Der lange Anmarsch dürfte aber (im Vergleich mit heutiger Anreise) die Akklimatisation gefördert haben. Trotz der manchmal ausschweifenden Sprache ist das Buch von Smythe (in Englisch) durchaus interessant zu lesen.[1]

1937

Eine britische Militärexpedition unter der Leitung von Ralph Ridley erreicht auf der Route von 1931 über 7200 m. Leider sind bis auf einige Bilder, die in einer Ausstellung "The Ice Soldiers" 2003 in England gezeigt wurden, keine Details überliefert. Erstbesteiger Smythe, der einen der Teilnehmer zufällig beim Anmarsch ins Valley of Flowers trifft, deutet ungenügende bergsteigerische Erfahrung als Grund für den Misserfolg an [2].

1955

Eine indische Expedition erreicht den Gipfel über den eigentlichen Grat, den Smythe in der östlichen Flanke vermieden hatte.[3]

1962

Oktober/November: Ein unerwarteter Angriff durch China löst den Indisch-Chinesischen Grenzkrieg aus. Das grenznahe Gebiet wird gesperrt.

1979

Eine indische Expedition erreicht den Gipfel von südöstlich Meade's Col.

1983

Eine indische Expedition muss am Westgrat auf ca. 7000 m wegen Schneesturm umkehren.

1984

Eine indische Militärexpedition der Assam Rifles erreicht im September den Gipfel.

1985

Im Herbst gelingt einer indisch-französischen Expedition die erste Besteigung des technisch schwierigen (V-VI) Westgrats.[3]

1987

Expedition der indischen Border Security Forces besteigt Abi Gamin und Kamet.

1989

Eine indische Expedition unter der Leitung von Bachendri Pal (erste Inderin auf dem Mount Everest, 1984) besteigt Kamet und Abi Gamin.

1991

Die indische Mount Everest-Frauen-Vorauswahl-Expedition (wieder geleitet von Bachendri Pal) erreicht mit 16 Teilnehmern den Abi Gamin. Am Kamet erreichen sie 7730 m.

1998

Argentinische Expedition zum Kamet.

2001

Im August ist eine polnische Expedition am Kamet unterwegs.

2003

Die indische Marine besteigt im Mai/Juni Abi Gamin und Kamet als Vorbereitung für eine Mount Everest-Expedition.

2004

Im Mai besteigt eine Expedition der indischen Marine den Kamet. Drei Mitglieder werden wegen Höhenkrankheit und Erfrierungen per Hubschrauber ausgeflogen; mit 7000 m hält diese Aktion den Höhenrekord für Hubschrauber-Bergungen.

2004

Im Rahmen der Vorbereitung der ersten reinen indischen Frauenexpedition zum Mount Everest 2005 unternimmt ein 27-köpfiges Team eine Kamet-Expedition im August. Außer der Vorankündigung war im Internet keine aktuellere Information auffindbar.


Für die Vollständigkeit der Daten ab 1949, insbesondere für Expeditionen auf der Normalroute, kann nicht garantiert werden. Es ist anzunehmen, dass in "Vor-Internet-Zeiten" Berichte in irgendwelchen Archiven verstaubt sind und Informationen über Besteigungen niemals in die Öffentlichkeit gelangt sind.

Literatur


Hartmut Bielefeldt
Sonnhalde 8
D-88699 Frickingen
© 2005 Hartmut Bielefeldt

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Letzte Änderung am Samstag, 29. Januar 2005 durch Hartmut Bielefeldt