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Kurzzusammenfassung - Berge
Berg bei Nyalam4630 m
Moräne SW Fahrerlager 5320 m
Cho Oyu8201 mbis 6800 m

Tibet - Expedition zum Cho Oyu (8201 m)

16. April - 25. Mai 1997

(Amical Alpin)


Expeditionsleitung: Robert Rackl

Teilnehmer: Daniel Mastalerz, Ingolf Schröder,
Ralf Lutzenburger, Gerd Spahn,
Gebhard Plangger, Robert Winklhofer,
Ursula Zippel, Martine Farenza,
Claudia Bäumler, Hartmut Bielefeldt,
Martina Grohs, Klaus-Dieter Grohs,
Reinhard Schönfeld, Max Huber, Eugen Brunner


Verfasser dieses Textes: Hartmut Bielefeldt und Claudia Bäumler
Dies ist kein "offizieller" Expeditionsbericht, sondern nur unser persönliches Tagebuch.

Postkarte

Mittwoch, 16. April 1997 / Donnerstag, 17. April 1997

Flug nach Kathmandu
Mittwoch abend treffen wir (bzw. 14 von uns) uns am Flughafen. Gebhard und Expeditionsleiter Robert sind schon in Kathmandu. Das Gepäck ist schnell und unkompliziert eingecheckt. Unser Flug - ohnehin der zweitletzte abends - verspätet sich bis um ein Uhr. Nach einer Zwischenlandung in Dubai, wo wir unsere Ausrüstung mit einer günstigen Thermosflasche ergänzen, kommen wir mit zwei Stunden Verspätung um 16.30 Ortszeit in Kathmandu an.
In Nepal ist manches anders als bei uns, abgesehen vom Linksverkehr: Die Ortszeit ist der MESZ um 3.45 Stunden voraus, und man schreibt das Jahr 2054 hinduistischer Zeitrechnung. Wir nächtigen im Hotel Yak & Yeti. Außer dem üblichen Kellner-Nichtbeachtungs-Syndrom wie in allen Restaurants der Welt kann man bei Service und Ausstattung wirklich nichts aussetzen, wir sind ja auch im vornehmsten Haus am Platz gelandet.
Swayambunath
Swayambunath

Freitag, 18. April 1997

Kathmandu
Nach dem Frühstücksbüffet genießen wir eine organisierte Besichtigung der Tempelanlage Swayambunath und der Siedlung Kirtipur (eine ehemalige Festung), wo wir einen Eindruck von den Wohn- und Arbeitsverhältnissen in Kathmandu bekommen. Viele kleine und größere Kinder begleiten unseren Spaziergang, um etwas Geld zu erbetteln.
Das Straßennetz in Kathmandu ist ziemlich chaotisch, die meisten Straßen sehr schmal. Kanalisation und Wasserversorgung in den Häusern gibt es kaum, alles sieht recht schmutzig aus. Die Bausubstanz erweckt den Eindruck, dass die Gebäude schon vor der Fertigstellung anfangen, wieder auseinanderzufallen.
Aufgrund eines Streiks gegen die Einführung einer Mehrwertsteuer sind heute leider die meisten Geschäfte geschlossen. Das einzige, was wir heute bekommen, sind günstige Hosen (für 400 Rupien, = 13 DM - 30 Rupien sind ca. 1 DM), auch das nur nach längerem Feilschen. An normalen Tagen kann man hier offensichtlich fast alles kaufen; mit Englisch kommt man meist gut durch. Luxus wie z.B. Bier ist zwar vergleichsweise eher teuer (50-100 Rs für den halben Liter), aber überall erhältlich.
Am Nachmittag muss noch einiges an Arbeit geleistet werden: die etwa 600 Postkarten müssen unterschrieben werden.

Samstag, 19. April 1997

Kathmandu - Kodari - Zhangmu
Früh am Morgen um sieben (leider bevor das Frühstücksbüffet eröffnet ist, es gibt nur Continental Breakfast) beginnt die Fahrt zur Grenze. Das nepalische Straßennetz ist wenig ausgedehnt und in schlechtem Zustand. Nur kurze Abschnitte sind geteert, in vielen Bereichen wird gebaut, und oft ist die Straße nur einspurig. Auf der Rückfahrt hatten wir einen besseren Eindruck. Entweder sind einige Bauarbeiten fertig geworden, oder wir waren dann noch die tibetischen Straßen gewöhnt. Nach vierstündiger Fahrt durch viele Täler und Wälder erreichen wir den nepalischen Grenzort Kodari (1700 m).
Die Formalitäten werden von unseren einheimischen Begleitern erledigt. Hier stoßen auch unsere vier Sherpas zu uns. Das Gepäck wird mehrfach auf andere Lastwagen umgeladen, und nach knapp vier Stunden Wartezeit können auch wir in die Lastwagen einsteigen, hundert Meter fahren bis zur "Friendship Bridge" und auf deren anderer Seite eine Viertelstunde warten, bis uns die weitere Durchfahrt genehmigt wird. Es scheint die einzige Funktion eines der dort stramm stehenden Grenzer zu sein, das "Durchfahren"-Zeichen zu geben.
Die acht Kilometer nach Zhangmu sind in abenteuerlichem Zustand, die "Straße" windet sich in vielen Kehren einen sehr steilen Hang hoch. Hier fahren sowieso nur die örtlichen Lkws und Taxis, auf die Passagiere und Lasten umgeladen werden müssen. Deren Fahrer haben auch die nötige Fahrzeugbeherrschung.
Eine halbe Stunde später: Die chinesische Grenzkontrolle in Zhangmu (2300 m) ist äußerst gründlich. Der ReisePass wird mit der vorgefertigten und genehmigten Liste Buchstabe für Buchstabe verglichen, denn der zuständige Grenzsoldat scheint keine große Übung mit den lateinischen Buchstaben zu haben. Bei Abweichungen durch Tippfehler dauert's ein wenig länger.
In Zhangmu gilt wie in ganz China einheitlich die Peking-Zeit, die der nepalischen wiederum um 2.15 Stunden voraus ist. Insgesamt dauert unser Grenzübertritt 5 Stunden.
Nachdem uns der Dolmetscher in Empfang genommen hat, gibt es im Ort um halb sieben (chinesischer Zeit) ein Abendessen. Wer keine Übung mit den Stäbchen hat, bekommt sie jetzt. Zhangmu scheint so ziemlich der heruntergekommenste Ort auf unserem Globus zu sein. Die Straße ist eine Schlammgasse, jeder schüttet seine Abwässer an den Straßenrand oder in die Mitte. Der Ort ist förmlich an den Berghang geklebt; die Toilette des Restaurants liegt unter dem Gebäude und besteht aus einem ziemlich rutschigen Donnerbalken, von dem aus man leicht talwärts nach Nepal abstürzen könnte. Außerdem muss man aufpassen, dass man auf dem Weg zum Örtchen nicht von heruntergeworfenen Küchenabfällen erlegt wird. Das Restaurant ist eher praktisch eingerichtet: Für andere ist es nur eine Rolle Klopapier, für uns die längste Serviette der Welt...
Lkw-Wrack
Dieser Lastwagen ist mittlerweile schon eine Legende. Offensichtlich hält es niemand für nötig, das Wrack zu entfernen.
Internationale Hauptstrasse
Die Hauptstraße von Zhangmu, gleichzeitig die "internationale Straße" Kathmandu - Lhasa.
Am Abend findet Eugen für seine plötzlich leergewordene (ziemlich exotische) Fotobatterie doch tatsächlich Ersatz in einem "Laden" am Straßenrand.
Die Unterkunft ist einfach, aber recht ordentlich, es gibt sogar eine Toilette auf dem Stockwerk. Die nackte Glühbirne im Zimmer ist abends durch ihr Leuchten knapp zu lokalisieren. Im Lauf der Nacht (wohl als alle anderen Stromverbraucher in Zhangmu aus sind) wird sie allerdings so störend hell, dass wir sie (mangels Lichtschalter) herausschrauben.

Sonntag, 20. April 1997

Zhangmu - Nyalam
Kugelprimel
Eine weiße Kugelprimel am Wegesrand.
Pünktlich wie angekündigt um viertel nach zehn geht es mit dem Bus los. Nach einer Stunde haben wir die Ortsdurchfahrt von Zhangmu hinter uns (ca. 1 km).
Ein ganzes Stück weit folgt die Straße steilen Abgründen über der Schlucht, stellenweise durchaus beunruhigend. Weiter oben wird die Landschaft etwas weitläufiger und karger, die Bäume verschwinden bald völlig, und um 13 Uhr erreichen wir Nyalam (3700 m).
So heruntergekommen der Hoteleingang und die Wohnung im Erdgeschoss aussehen, so ordentlich sind die Zimmer dagegen. Man Passt sich schließlich auch ein bisschen an die Standards in diesem Land an. Unser Quartier hat zartrosa Honeymoon-Betten. Man fragt sich nur, wieso dann in diesem Zimmer drei Betten sind.
Am Nachmittag machen wir einen Akklimatisationsspaziergang bis auf 4000 Meter.
Zum Abendessen kommen die ersten Expeditionsvorräte auf den Tisch für diejenigen, die sich mit dem chinesischen Essen nicht so anfreunden können oder sonst Verdauungsprobleme haben. Allgemein kann man aber an Qualität und Menge des Essens nichts aussetzen. Die Leute hier sind freundlich, wenn auch unsere Vorstellungen von Sauberkeit in Tibet nicht immer voll anwendbar sind. Die Kinder halten zwar auch mit einem "Hello" die Hand auf, wenn man ihnen begegnet, sind aber bei weitem nicht so aufdringlich wie in Nepal. Die Erwachsenen sind eher zurückhaltend, wohl auch weil nähere Kontakte zwischen Tibetern und Ausländern von den Chinesen nicht erwünscht und teilweise auch bestraft werden.
'Om mani padme hum'
Manisteine bei Nyalam. Die Inschrift heißt "Om mani padme hum" (O Kleinod in der Lotosblüte), wie natürlich jeder Tibet-Reisende weiß.

Montag, 21. April 1997

Wanderung um Nyalam
Gestern abend gab es noch Lautsprecherbedröhnung von Gegenüber, erst wohl irgendwelches Radio, später anscheinend die (berüchtigte) Dorfdisco. Um elf ist es aber schon ruhig.
Am nächsten Tag machen wir nach dem Frühstück eine richtige Akklimatisationstour auf den Berg südwestlich des Ortes. Nach drei Stunden deklarieren wir die nächste Bodenwelle zum Gipfel (4630 m). Die Aussicht auf die Shisha Pangma ist leider schon seit dem Morgen schlecht, aber die nahegelegen Fünf- und Sechstausender sehen spektakulär genug aus. Wie schon gestern bewölkt es sich gegen Mittag sehr rasch, es wird kühl und ungemütlich. Am Spätnachmittag schneit es.

Dienstag, 22. April 1997

Nyalam - Tingri
Ab Nyalam geht es mit Jeeps weiter, auch wenn es die Straße nach Tingri noch nicht erfordert. Zehn Kilometer hinter Nyalam (Kilometerstein 5333) liegt die Höhle des Milarepa mit einem Kloster, ein wichtiges buddhistisches Heiligtum. Milarepa war ein Lama, der in der Höhle ein Einsiedlerdasein mit Kontakt zur Bevölkerung führte, was zur Verankerung der Religion im Volk beigetragen haben soll. Er soll (um das Jahr 1100) einen Wettstreit mit einem anderen Lama um die "Besteigung" des heiligsten aller Berge, des Kailash, gewonnen haben, indem er auf dem ersten Sonnenstrahl des Morgens auf den Berg hinaufgeritten sei.
Oberhalb von Nyalam
In der Nähe des Milarepa-Klosters. Nyalam liegt am Fuß der Berge im Hintergrund.
Haus bei Milarepas Kloster
Bauernhaus mit Brennstoff-Vorräten an der Wand.
Die Landschaft öffnet sich, das Tal wird weiter und steigt langsam an, bis wir nach 40 km (km 5287) am Lalung Leh Pass sind (5050 m). Zur besseren Akklimatisation findet hier die Mittagspause statt. Im Süden haben wir eine großartige Aussicht auf die Himalayakette. Man sieht den Bergen nicht an, dass sie "nur" Sechstausender sind. Wie dann die wirklich Großen aussehen? Im Norden erstreckt sich eine weitläufige Hügellandschaft mit kaum Schnee.
Der Weiterweg führt durch lange Täler, die teils von steilen Bergen umrahmt sind. Die Vegetation ist spärlich, etwas Gras nahe der Flüsse.
unterwegs in Tibet
Unterwegs in Tibet.
Die Straße ist eine mehr oder weniger staubige Wellblechpiste, ist aber ab km 5200 geteert. Tingri (km 5195) auf 4250m Höhe macht einen recht abgelegenen Eindruck. Das Hotel "Everest View" hat einzelne Zimmer, die alle rund um den Hof gruppiert sind. Als Türschloss dient ein Ast, der von innen an die Tür geklemmt wird. Die verrauchte Gaststube bietet Sitzgelegenheiten und Tischchen um den Ofen herum, auf dem alles Essen gekocht wird. Die Toiletten - das besondere Highlight dieser Unterkunft - sind Türmchen, die über Treppen in der Ecke des Hofs zu erreichen sind. Oben steht man im Freien, das Schutzmäuerchen ist recht bescheiden dimensioniert. Immerhin hat man von da die beste Aussicht (den vielgerühmten Everest View). Am Nachmittag sehen wir uns noch den eigentlichen Ort an (das Hotel liegt außerhalb).
Bald ziehen aber dichte Wolken auf, und es schneit. Regen werden wir die nächsten vier (???) Wochen übrigens nicht mehr erleben.
Abends läuft der Dieselgenerator noch bis Mitternacht. Das heißt wohl, dass die Stromleitung parallel der Straße nicht mehr allzu intakt sein dürfte. Danach zeigen die hiesigen Hunde ihr schier unglaubliches Durchhaltevermögen bis zum Morgen.
Cho Oyu von Tingri aus
Cho Oyu von Tingri aus, aus einer Entfernung von ca. 40 km.

Mittwoch, 23. April 1997

Tingri - Fahrer-Basislager
Um viertel nach neun Uhr fahren wir in den Jeeps durch die lange Hochebene zum Fahrer- Basislager auf 5000 m, wo wir nach 1 1/2 Stunden ankommen. Die Höhe haben wir aus den Höhenmesserangaben am Berg im Vergleich mit der Landkarte extrapoliert. Ab hier geht es dann mit Yaks weiter. Während der Fahrt hat man eine schöne Aussicht auf Everest und Cho Oyu. Während der Everest eher zierlich in den Himmel strebt, ist der Cho Oyu ein gewaltiges Massiv. Genaugenommen sieht man vom Everest natürlich nur den Teil oberhalb etwa 8000 m; der Umfang der hochgelegenen Fläche dürfte daher dort eher größer sein. Das "zierlich" bezieht sich also eher auf den visuellen Eindruck. Der Streckenzustand ist etwas schlechter als einige südamerikanische Strecken, die mir dazu eingefallen wären. Unsere Fahrer sind aber offensichtlich off-road-Experten, sodass zu diesem Thema keine Probleme zu vermelden sind.
Das Fahrer-Basislager ist der Endpunkt der "Straße", zumindest jetzt im April. Hier werden die Zelte aufgebaut und das Küchenzelt installiert. Von hier ab kocht unser (Sherpa-)Koch für uns, was auch die Verdauungsprobleme nach und nach reduzieren sollte. Das Abendessen ist gut und reichlich, teils nepalisch, teils westlich. Auf die Anwendung tibetischer Küchenkünste haben wir von vornherein verzichtet, da die kulinarische Bandbeite dieses Landes ungefähr auf eine Streichholzschachtel passen würde. Ab jetzt heißt die Devise für uns auch Tee trinken, wann immer möglich, denn nur mit genügend Flüssigkeit kann man sich vernünftig an die Höhe anpassen.
Statt Hunde oder Dieselgeneratoren sorgt heute eine Yakherde (mit Glöckchen) für die nächtliche Geräuschkulisse. Wir lernen aber, dass die Tierchen trotz ihrer Größe eher scheu sind und uns auf dem Weg zum Örtchen nie im Wege stehen.
Das Wetter ist wie die vorangegangenen Tage auch: mittags Bewölkung, später etwas Schneefall.

Donnerstag, 24. April 1997

Ruhetag im Fahrer-Basislager
Heute ist Ruhetag, d.h. ein kleiner Spaziergang in der Umgebung. Wir gehen die Moräne im Westen bis 5300 m hoch, wo man einen netten Blick hinüber zum Nangpa La hat. Dieser Pass (ca. 5700 m) hat eine historische Bedeutung, weil über diese Route vor einigen Jahrhunderten das heutige Volk der Sherpa von Tibet in die (heute nepalische) Region südlich des Everest eingewandert ist. Die Sherpa sind damit sozusagen die Walser des Himalaya. Es erübrigt sich (hoffentlich) anzumerken, dass Sherpa eine Volksgruppe sind und nicht ein Wort für "Träger". Die Sprache der Sherpa ist immer noch nahezu identisch mit der tibetischen und vollständig anders als Nepali. Sie wird auch in der tibetischen Schrift geschrieben. Der Nangpa La wird auch heute noch von Yakkarawanen benutzt, die aus Tibet zum Markt nach Namche Bazar ziehen.
Wir sind uns nicht ganz einig, aber möglicherweise kann man hinterm Cho Oyu von hier den Everest sehen. Vielleicht war's auch nur der Gyachung Kang mit seinen mickrigen 7900 Metern.
Heute ist das Wetter ungewöhnlich gut, der Wolkenaufzug findet erst abends statt und ist recht harmlos. Daher kann man den sonnigen Nachmittag nutzen, um sich etwas zu waschen. Als Ralf sich der Hygiene im unteren Körperbereich etwas zu offensichtlich widmet, gerät er zur zentralen Attraktion für die tibetischen Yaktreiber. Das scheint sowieso ein ziemlich wilder Haufen zu sein. Durch die offenen Feuer in ihren Zelten und die wohl sehr seltene Gelegenheit zum Waschen riecht man ihre Anwesenheit meist schon von weitem. Sie schauen mit fast kindlich anmutender Neugier in unsere Zelte, tauschen und verkaufen alles, was Profit gibt, und werden nicht müde, zu gucken, wer vielleicht Essen oder sonstwas Interessantes übrig haben könnte. Bei aller Neugier und allem Einkommensgefälle ist aber Diebstahl in Tibet so gut wie unbekannt.
Im Fahrer-Basislager, Blick auf unser Ziel
Im Fahrer-Basislager, mit schöner Aussicht auf unser Ziel

Freitag, 25. April 1997

Fahrer-Basislager - Zwischenlager
Der Service ist fast zu gut: morgens wird man mit "morning tea" am Zelt geweckt, und eine halbe Stunde später gibt es Frühstück.
Martina hat große Probleme mit der Höhe und fährt mit Klaus-Dieter zurück nach Nyalam, um sich dort zu erholen. Auch dort geht es ihr nach einigen Tagen nicht wesentlich besser, woraufhin sie ganz nach Kathmandu und von dort nach Hause fährt. Klaus-Dieter kommt einige Tage später mit Ralf ins Basislager hoch.
Für die anderen geht es heute los in Richtung Basislager. Zuerst noch eine kleine organisatorische Einlage: Statt der bestellten 48 Yaks würden wir doch 50 brauchen, so die Erkenntnis des Verbindungsoffiziers. Immerhin kosten die zwei zusätzlichen nur US$ 130, wenn's ohne Quittung geht...
Das Beladen der Viecher ist das zweite Problem: Yaks sind ziemlich scheu und lassen Menschen ungern näher als ein, zwei Meter an sich heran. Das gilt offensichtlich auch für die Yaktreiber. Außerdem kennen sie das Spielchen schon und sind gar nicht begeistert von den 60 kg, die ihnen aufgebunden werden sollen. Entweder versuchen sie, unter der Ladung wegzurennen, bevor diese festgezurrt ist, oder sie springen wie wild durch die Gegend, um die Last abzuwerfen. Nach zwei Stunden hat sich aber jedes in sein Schicksal ergeben.
Die Yaks gehen recht schnell, und wir sollten der Höhenanpassung wegen natürlich auf Rennerei verzichten. So brauchen wir vier Stunden bis zum Zwischenlager, ein endlos langer Weg durch die Flussebene und Moränenschutt, und nur 350 Höhenmeter. Das Wetter heute funktioniert anders als bisher: Schon morgens hohe Schichtbewölkung von Nepal her, aber lange einigermaßen sonnig und eher spät nachmittags dann Schneeschauer.
Yak
Yak vor dem Beladen (erkennt man daran, dass es noch ziemlich friedlich ist).

Samstag, 26. April 1997

Zwischenlager - Basislager
Ralf entschließt sich, vorläufig wieder nach Tingri herunterzugehen, sich dort zu erholen und in ein paar Tagen zurückzukommen. In Anbetracht der folgenden Etappe sicher kein unvernünftiger Entschluss.
Das Beladen der Yaks geht heute erheblich schneller. Die ersten 150 Höhenmeter sind auch bald geschafft, aber ab dort folgt der Weg den unregelmäßigen, öfters unterbrochenen Moränenrücken hoch über dem Gyabrag-Gletscher. Trotz nur 200 Metern Netto-Höhengewinn brauchen wir vier Stunden zum Platz fürs Basislager am Eissee. Das übliche "Tichy-Lager" ist, wie wir unten erfahren hatten, schon überfüllt, so dass wir gut anderthalb Stunden tiefer auf 5500 m unser Basislager installieren. Das eigentliche Basislager ist benannt nach Herbert Tichy, einem der drei Erstbesteiger des Cho Oyu, die 1954 diesen Basislagerplatz benutzten. Trotz der großen Höhe (5700 m) dürfte es der günstigste Ausgangspunkt für den Cho Oyu sein. Unser Platz liegt östlich über dem Ufer des Gyabrag- Gletschers, wo von oben ein namenloser kleiner Gletscher herunterkommt. Auf der anderen Seite des Gyabrag-Gletschers thronen die beeindruckenden Fels- und Eistürme des Jobo Rabtsang (6666 m).
Nachmittags beginnt es wieder zu schneien.

Sonntag, 27. April 1997

Ruhetag im Basislager
Da haben wir uns wohl den schattigsten Ort im Universum als Basislagerplatz andrehen lassen. Erst um acht Uhr Nepal-Zeit (10.15 chinesisch; wir stellen ab dem Basislager wieder auf Nepal-Zeit um, weil das dem Sonnenstand besser entspricht) erreicht uns die Sonne, während die Berge gegenüber schon zweieinhalb Stunden beleuchtet sind.
Heute ist Ruhetag, einige haben mit Durchfall, Kopfweh oder Atemnot zu kämpfen - das dürfte aber hier ziemlich normal sein, zumindest unmittelbar nach der Ankunft.
Am späten Vormittag findet die Puja-Zeremonie statt, um die Götter den Bergsteigern und Sherpas gut gesinnt zu machen. Dabei werden die Gebetsfahnen angebracht, die Eispickel geweiht und verschiedene Opfergaben in die Winde verstreut. Erst nach der Puja darf der Berg angegangen werden, sonst droht Unglück. Gebetsfahnen sind übrigens eine ähnlich geniale Erfindung wie Gebetsmühlen: Erstere sorgen dafür, dass der Wind die aufgedruckten Gebete verteilt und so den Buddhismus in die Welt trägt, letztere "mechanisieren" das Sprechen eines Gebets sozusagen.
Mittags wird die weitere Planung diskutiert: Da das Basislager mit 5500 m ziemlich hoch liegt, wird morgen noch ein Ruhetag eingelegt. Am Dienstag gehen wir mit wenig Gepäck bis an den Beginn des "Killerhangs" und wieder zurück. Der "Killerhang" ist ein scherzhaft so genannter steiler Schutthang, der entsprechend demotivierend und kräftezehrend sein soll. Am Mittwoch soll eine Tour bis zum Lager 1 auf 6400 m folgen, um dort Gepäck zu deponieren. Am Donnerstag soll es zum dritten Mal aufwärts gehen, und dann dürften wir soweit angePasst sein, dass wir dort oben übernachten können. Wenn alles gut geht, könnten wir also am Freitag zum erstenmal zum Lager 2 gehen. Wie's dann weitergeht, kann man natürlich jetzt noch nicht genau planen, es fehlt ja dann noch Lager 3 ...
Am Abend treffen wir einen alten Bekannten hier: Horst Kaluza, der damals unsere Pik Lenin-Expedition (1992) geleitet hatte. Er war für einen Expeditionsveranstalter aus Dossenheim nach Nepal gekommen, musste dort aber feststellen, dass die lokale Agentur (die Permits, Visa und örtliches Personal besorgt und Transport und Unterkunft organisiert) jegliche Leistung verweigert, bis das deutsche Unternehmen die beträchtlichen Rechnungen aus vorangegangenen Touren begleicht, über $ 250 000. Um ihre Tour doch noch durchführen zu können, müssen die Teilnehmer noch mal teilweise tief in die Tasche greifen. Und ob sie vom in Deutschland gezahlten Geld irgendwas wiederbekommen, steht in den Sternen. Mit IMC waren wir auch mal verreist, siehe Tien Shan 1995. Unsere Propaganda hat offensichtlich nichts genutzt, nachdem immer noch Leute dort buchen.

Montag, 28. April 1997

Ruhetag im Basislager
Waschtag: Zwar kommt die Sonne erst um acht, aber dann wird es schnell warm, besonders im Zelt. Man kann sich also gut (mit Warmwasser vom Küchenzelt) draußen waschen. Ansonsten wird viel gelesen und gefaulenzt. Das Kopfweh wird von Tag zu Tag schwächer.

Dienstag, 29. April 1997

Basislager - Depot - Basislager
Heute geht es früh los, Frühstück schon um sechs und Abmarsch um halb sieben. Im Schatten ist es noch ziemlich kalt, aber der Tag dürfte noch lang und warm werden. Der Weg zum 250 Meter höher gelegenen Tichy-Lager dauert 1 3/4 Stunden und ist durch viele Gegensteigungen sehr ermüdend. Hier haben wir den ersten näheren Blick auf den Cho Oyu, der zwischen den herumstehenden Sechs- und Siebentausendern geradezu in den Himmel ragt. Das Lager selbst ist sehr voll, die Möglichkeiten zum Zelten sind fast völlig ausgenutzt. Durch die vielen verschiedenen Gruppen ist das Lager sehr verdreckt und außerdem ziemlich laut.
Es geht weiter am bzw. über den sehr zerschrundeten oberen Gyabrag-Gletscher ins Tal hinein, meist im Moränenschutt des Nordufers. Dabei genießt man natürlich wiederum die eine oder andere Gegensteigung. Der Weg schraubt sich bis 6050 m ein Seitental hoch, bevor der eigentliche "Killerhang" beginnt. Hier deponieren wir die hochgetragenen Dinge (Kocher, Gaskartuschen, Essen etc.) und lassen dann wieder die effiziente Wegführung in entgegengesetzter Richtung auf uns wirken. 4 3/4 Stunden im Aufstieg und drei Stunden im Abstieg für gegen 10 km Entfernung.
Cho Oyu
Vom Tichy-Lager aus können wir den Cho Oyu erstmals genauer betrachten.

Mittwoch, 30. April 1997

Basislager - Depot
Das Programm für diesen Tag ist nicht ganz so umfangreich wie gestern, daher gehen wir erst los, als das Basislager Sonne hat. Der Weg ist derselbe wie gestern, aber diesmal wird am Fuß des "Killerhangs" übernachtet. Die Sherpas bringen zu diesem Zweck noch zusätzliche Zelte dorthin - eine wesentliche Erleichterung, denn wir müssen so nur unser eigenes Zeug tragen.

Donnerstag, 1. Mai 1997

Depot - Lager 1 - Basislager
Killerhang
Das unterste Stück des "Killerhangs".
Nach - zumindest für mich persönlich - sehr gut überstandener Nacht (wir sind hier immerhin schon ganz schön hoch) gehen wir den "Killerhang" hoch. Der ist in der Tat ein wenig nervig, weil er sich nach dem ersten steilen Stück langsam zurückneigt, das Lager aber noch lange nicht erreicht ist. Außerdem ist alles loser oder hartgefrorener Schutt. Nach nicht ganz zwei Stunden steht man plötzlich am Grat und damit unmittelbar in Lager 1 (6420 m).
Eine Stunde später ist unsere Zelt-Plattform aus dem Schnee gehauen. Die anderen ziehen nach ein bis zwei Stunden wieder talwärts ab; Claudia und ich wollen heute schon mal hier oben bleiben, um unsere Akklimatisation ein wenig zu forcieren. Die Aussicht von Lager 1 ist sehr schön und gibt uns eine Vorstellung, was wir weiter oben erwarten dürfen: die Berge um uns herum werden langsam kleiner, die Sicht weitet sich. Vom Lager aus können wir die ganze weitere Route im Wesentlichen einsehen: Eisbruch, Lager 2, Schneequerung, Lager 3, gelbes Band, Gipfelhänge und Gipfelplateau. "Nur" noch 1800 Höhenmeter!
Die viele Arbeit beim Zeltaufstellen führt allerdings zu forcierten Kopfschmerzen statt forcierter Akklimatisation, und wir sind am Abend wieder unten im Basislager und vertagen die Übernachtung im Lager 1 auf später. Der lange Weg zurück ist wieder eine ziemliche Tortur. Dafür gibt es dort aber z.B. auch Oliven und andere gute Sachen.

Freitag, 2. Mai 1997

Ruhetag im Basislager
Ruhetag. Bei der großen Höhe des Basislager muss man recht vorsichtig sein, dass man sich keine Erkältung einfängt und sich immer ausreichend erholt. Sonst kann man ziemlich schnell ziemliche Schwierigkeiten bekommen, und das wollen wir natürlich von vornherein ausschließen - daher die vielen Ruhetage.
Heute ist es ab morgens diesig, die Sonne kommt gar nicht so recht durch. Um zehn beginnt es schon zu schneien, und es hört bis zum Abendessen nicht auf - also keine schlechte Idee, heute einen Ruhetag zu machen.
Zum Mittagessen gibt es heute Semmelknödel (aus der mitgebrachten Packung), unser nepalischer Koch muss sich ob der deutschsprachigen Anleitung von Claudia, Martine und Eugen beraten lassen.
Im Lauf des Tages sind zwei von der schwäbischen Expedition, die wegen Gesundheitsproblemen nach Nyalam herausgegangen waren, bei uns angekommen. Sie bleiben einen Tag hier, weil es bis zum Tichy-Lager für den Tag zu weit ist. Man hört interessante Dinge über die Probleme, die bei so einem Genesungsaufenthalt auftreten, besonders in finanzieller Hinsicht. Da der chinesische Verbindungsoffizier im Fahrer- Basislager das Monopol über Jeeps, Yaks und Träger hat, entstehen ziemliche Mondpreise. Vereinzelt kommt es auch zu vermeidbaren Konfrontationen, wenn die Bergsteiger versuchen, tibetische Träger direkt im Basislager unter den Augen des Verbindungsoffiziers zu verpflichten. De facto kommen die Tibeter ins Basislager. Da sie nicht direkt von uns angestellt werden können und dürfen, schenken wir ihnen nach einem Tag $20, wenn sie eine Last hochtragen. Meistens kommunizieren wir allerdings über unsere Sherpas mit den Tibetern, denn sie sprechen die Sprache.
Gyabrag-Gletscher
Der Gyabrag-Gletscher nahe unseres Basislagers, Blickrichtung Tibet.

Samstag, 3. Mai 1997

Ruhetag im Basislager
In der Nacht hat es aufgeklart, blieb aber immer noch stürmisch, was das Verlassen des Zeltes zu gewissen Geschäften nicht allzu angenehm machte. Morgens ist es wieder fast windstill und sonnig. Zu den Mahlzeiten kommen immer mehr der mitgebrachten Dinge zum Vorschein wie Knäckebrot, Leberwurst, Landjäger etc. Das Nutella wird - welch Luxus - nach den -10°C kalten Nächten jeden Morgen im Wasserbad gefügig gemacht, sonst könnte man es immer nur ab Mittag essen.
Morgens im Basislager
Die Sonne erreicht das Basislager

Sonntag, 4. Mai 1997

Basislager - Lager 1
Eine verschärfte Etappe steht uns bevor. Nach dem endlosen Marsch über Tichy-Lager zum Depot nehmen wir dort die restlichen deponierten Sachen auf und transportieren sie hoch über den "Killerhang" zum Lager 1. Somit wissen wir jetzt: Erst durch die Kombination mit dem Anmarschweg vom Basislager wird der "Killerhang" zum "Killerhang". Die ganze Aktion dauert acht Stunden; recht nervig auch der ständige Wechsel zwischen Sonne und Wolken am Nachmittag, denn man ist nie richtig für die herrschende Temperatur angezogen.
Der Weiterweg von Lager 1 aufwärts
Der Weiterweg von Lager 1 den Grat entlang aufwärts.

Montag, 5. Mai 1997

Lager 1 - Lager 2 - Lager 1
Abends und nachts ist ein teils kräftiger Wind übers Lager gepfiffen. Das Lager liegt auch so an einem Felssporn, dass die Zelte nur knapp geschützt sind.
Kurz vor acht Uhr geht unsere nächste Etappe los - Materialtransport nach Lager 2. Der Weg folgt erst dem Schneegrat, fast ähnlich dem Festigrat am Dom, mit schönster Aussicht. Leider ist es ziemlich stürmisch, und man bekommt schnell kalte Hände und Füße. Die Schlüsselstelle - der ca. 50 m hohe Gletscherbruch - ist mit Fixseilen versichert, aber das Herumhampeln mit der Steigklemme ist in dieser Höhe sehr atemraubend. Zum Glück liegt der Lagerplatz nur zwanzig Minuten jenseits der Sportstunde.
Höhe 6800 m, ganz gut zum Höhe trainieren. Zweihundert Meter weiter oben gibt es einen zweiten Lagerplatz, aber der macht nur Sinn für diejenigen, die Lager 3 auslassen und direkt zum Gipfel gehen wollen. Sonst hat der tieferliegende Platz für Lager 2 natürlich den Vorteil besseren Schlafkomforts.
Nach gut einer Stunde Pause gehen wir wieder runter (der Eisbruch wird abgeseilt) und sind eine Stunde später pünktlich zum Beginn des nachmittäglichen Schneefalls zurück in Lager 1.
Immerhin war diese Etappe die erste "Berg"-Etappe, in der auch Technik und Höhe wichtig wurden. Manch einer hat da was gelernt, was man sich rein theoretisch eben nicht aneignen kann. Interessant auch, dass die mickrigen Fünf- oder Zehnmeter-Gegensteigungen auf dem Rückweg uns alle vor erhebliche Schwierigkeiten stellen.
Der Palung Ri (7012 m) von Lager 1
Der Palung Ri (7012 m) von Lager 1.

Dienstag, 6. Mai 1997

Lager 1 - Basislager
Die Nacht war nicht allzu angenehm, zumindest für uns zwei. Zum einen merkt man hier oben deutlich, dass die Isomatten von unten zuviel Kälte durchlassen. Zum anderen zeigt sich der oft wiederkehrende lange Gletschermarsch in Claudias Hüftgelenkschmerzen.
So dauert der heutige Abstieg ins Basislager etwas länger, nämlich 4 1/4 endlose Stunden. Dort gibt's zum Mittagessen immerhin Pizza.
Das Wetter ist heute verdächtig gut - um halb drei ist es noch sonnig mit nur ein paar Quellwolken. Dafür schneit es abends um so länger. Zum Abendessen gibt es Spaghetti.

Mittwoch, 7. Mai 1997

Ruhetag im Basislager
Ruhetag. Das Wetter ist entsprechend: ab elf Uhr schneit es.
Über Funk erfährt man dies und das von den anderen Expeditionen. Ein kleiner Auszug aus der Gerüchteküche: Drei Sachsen haben gestern den Gipfel bei nicht allzu kaltem Wetter erreicht. Bei den vielen Sponsoren hatten sie das sozusagen auch bitter nötig. Eine Gruppe von drei Basken war (wohl vor einigen Tagen) erst um neun Uhr morgens von Lager 3 losgegangen, in Gipfelnähe beim Abstieg in die Nacht gekommen und musste biwakieren. Mit Erfrierungen an Händen und Füßen konnten sie am anderen Tag bis Lager 2 absteigen, aber dort hat sich offensichtlich niemand der dort Anwesenden um sie gekümmert. (Es ist aber nicht berichtet, wie weit ihre Probleme Außenstehenden erkennbar waren.) Erst als einige Mitglieder der schwäbischen Expedition von Lager 1 nach 2 aufsteigen, um die drei über die Fixseile hinunterzubringen, lief endlich eine eigentliche Rettungsaktion an. Die drei wurden dann von Tibetern auf dem Rücken(!) zum Basislager und weiter zum Fahrer-Basislager herausgetragen.
Vom Wetter her scheinen wir keine besonders gute Saison erwischt zu haben: morgens ist es erst klar und oben sehr kalt und windig, mittags zieht es zu, und dann ist der Rückweg vom Gipfel kaum zu finden. Von den über 200 Personen in den Basislagern sind gerade mal 20 auf den Gipfel gekommen, und von denen ist nur die Hälfte ohne Erfrierungen zurückgekommen.

Donnerstag, 8. Mai 1997

Ruhetag im Basislager
Ruhetag (der zweite von drei). Übermorgen soll gut erholt der Gipfelsturm beginnen: Samstags auf Lager 1, am Sonntag Lager 2, Montag Lager 3 und Dienstag zum Gipfel. Die drei Sherpas haben eine Menge Arbeit geleistet und nicht nur alle notwendigen Zelte nach Lager 2 und Lager 3 hochgetragen, sondern auch schon die meisten davon aufgestellt. Die Anzahl der Zelte ist so bemessen, dass jeder einen Platz in jedem Lager hat - das erleichtert die Besteigungsplanung natürlich, weil man nicht auf Kollisionen verschiedener Gruppen achten muss. Das spart uns erheblich Zeit und Kraft, so dass wir eine zumindest einigermaßen realistische Chance für nächste Woche haben. Müssten wir alles selber tragen, wären sicher ein bis zwei Wochen mehr Zeit nötig, oder man müsste (im Endeffekt vielleicht auf Kosten der Gipfelchancen) die Ruhetage reduzieren.
Wenn aber alles vernünftig läuft, sind wir mit ausreichend Reserve am 16. Mai zurück im Basislager und können am 18. mit den Yaks ins Fahrer-Basislager herausgehen. Dann bliebe eventuell noch Zeit, nach Lhasa zu fahren und von dort nach Kathmandu zu fliegen. Während wir uns am Cho Oyu versuchen, soll die Agentur in Kathmandu herausfinden, wie praktikabel das wäre. Der spätestmögliche Termin zum Verlassen des Basislagers wäre der 21., und dann würden wir natürlich direkt nach Kathmandu fahren (und hoffentlich ohne irgendwelche Verspätungen, sonst wäre das Flugzeug weg...).
Das Wetter heute übrigens: es schneit schon ab neun Uhr morgens. Gestern war's ähnlich: Ob der Wetterrhythmus der letzten Wochen sich ausgerechnet jetzt ändert?
Heute abend noch ein besonderes Highlight: Kuchen. Schon zum Mittagessen war die erste Sensation fällig: Endlich bekommen wir das legendäre "Hallertauer Hopfengold" auch zu Gesicht. Es handelt sich dabei um ein real existierendes Produkt. Väter und Nicht-Väter (es ist Vatertag) konnten sich an einer Kostprobe erfreuen und feststellen, dass zwischen 56%-igem Likör und Hustensaft kein allzu weiter Weg ist...

Freitag, 9. Mai 1997

Ruhetag im Basislager
Manchmal liegt man die halbe Nacht wach hier auf 5500 m und japst nach Luft, und eine Nacht später schläft man durch wie ein Murmeltier... Unser dritter und letzter Ruhetag im Basislager beginnt mit strahlend blauem Himmel, der auch den ganzen Tag nur einige Quellwolken sieht
Die Ruhetage verlangen einem so Manches ab: Beim Mittagessen ist Klaus-Dieter den Unbillen einer Capuccinodose ausgesetzt, die in Deutschland verpackt (nicht Vakuum) und nun auf 5500 m Höhe geöffnet wird. Die Staubexplosion nebelt auch seine Nachbarn mit ein.
Spätestens abends geht's in den Schlafsack, weil es im Mannschaftszelt zu kalt wird; morgens um halb acht steht man auf, und den ganzen Tag verbringt man mit Essen, Trinken, Lesen, Dösen und Schlafen.
Gerd und Gebhard gehen heute schon mal bis zum Depot-Lager bzw. Lager 1 vor, um eventuell fehlende Akklimatisation nachzuholen.

Samstag, 10. Mai 1997

Basislager - Tichy-Lager - Basislager
In der Nacht ist unser Toilettenzelt dem Sturm zum Opfer gefallen, und auch das Mannschaftszelt beginnt während des Frühstücks mit Flugübungen.
Nichtsdestotrotz brechen wir um halb neun zur viertägigen Bergbesteigung auf. Knapp zwei Stunden nach Aufbruch sind wir im Tichy-Lager, wo Robert plötzlich die Aktion abbricht. Von der schwäbischen Expedition hat er gehört, dass auch für die nächsten Tage mit starkem Sturm zu rechnen ist; die Schwaben warten deshalb auch noch im Tichy-Lager ab. Außerdem ist nicht klar, ob unsere Zelte im Lager eins (mitsamt Allem was drin ist, zum Beispiel warmer Schlafsack, Steigeisen ...) die Nacht überlebt haben. Also klärt unser Boss genauer die Lage, und wir legen (wieder mal) sozusagen einen Ruhetag ein, wenn man von dem Spaziergang ins Tichy-Lager absieht.
In unserer Planung bis zum 18. sind zum Glück zwei Reservetage enthalten. Der Grundkonflikt ist der Folgende: Mit der Akklimatisation und den notwendigen Ruhetagen sind wir gerade fertiggeworden, hätten also den "Gipfelsturm" keinen Tag früher ansetzen können. Selbiger dauert aber mindestens fünf Tage, und nach einem abgebrochenen Versuch muss man sich ausführlich erholen (2-3 Tage), bis man's wieder wagen kann. Also haben wir nur einen Versuch.

Sonntag, 11. Mai 1997

Basislager - Lager 1
Heute ist es nachts zwar etwas kälter (-14°C), aber dafür morgens windstill. Nachdem die "Probe" gestern ein ziemlicher Versager war, kann die Premiere ja jetzt nur gut werden. Auf dem Weg zum Tichy-Lager laufen wir parallel zu einer großen Yakkarawane, die den Nangpa La nach Nepal überquert.Später erfahren wir, dass es sich dabei um Flüchtlinge handelt, die nach Nepal auswandern. Nach nur 4 1/4 Stunden sind wir am Depot; diesmal gehen Claudia und ich diese Strecke wieder mit den Trekkingschuhen, die Bergschuhe hatten wir bis zum Depot heraufbringen lassen. Der obere Teil des "Killerhangs" wird allerdings zur Qual, obwohl er auch diesmal nur zwei Stunden dauert. Um vier sind wir in Lager 1, das übrigens praktisch keine Sturmschäden hat, und richten uns ein. Unerwarteterweise ist der Himmel bei uns den ganzen Tag wolkenlos geblieben - das erste Mal, seit wir hier sind.
Die Frage ist nur, ob das gute oder schlechte Neuigkeiten sind. Unser Sirdar (d.h. Chef der Sherpas, damit für lokale Organisation zuständig) Nawang Sherpa erwartet nach seiner Erfahrung etwa zwei Tage Sturm, dann eine ganz kurze Beruhigung und innerhalb eines Tages das Übergreifen des Monsuns von Süden. Dann würden mit Glück vielleicht noch die Achttausender aus der Suppe herausschauen.
Der Wetterbericht der Schwaben war übrigens auch ein bisschen besser, wenn auch immer noch Höhenstürme angesagt sind.
Kurze Anmerkung zum Monsun für alle, die die Geographiestunde nicht mehr ganz so parat haben: Der Monsun ist sozusagen ein auf die Nordhalbkugel übergesprungener Südost-Passat, der damit seine Richtung von SE auf SW ändert. Da dieser Wind lange Strecken über dem Meer zurücklegt, ist er sehr feucht und führt besonders im Stau des Himalaya zu intensiven Niederschlägen, die (in Assam) bis zu 10000 mm pro Jahr betragen können (bei uns in Deutschland sind's etwa 700). Eine wesentliche Ursache des Überspringens des Passats ist die schnelle Erwärmung des tibetischen Hochlands nach der Schneeschmelze im Frühjahr.
Die Nacht verläuft mehr oder weniger normal. dass ich am Abend das mühsam heruntergebrachte Abendessen wieder in der Umgebung verteile, ist wahrscheinlich der morgigen Etappe nicht sehr förderlich.
Abendliche Gipfel-Aussicht von Lager 1
Abendliche Gipfel-Aussicht von Lager 1.

Montag, 12. Mai 1997

Lager 1 - Lager 2
Die Nacht war klar und sehr kalt (-21°C). Morgens ist es recht windig; wir hoffen auf ein Nachlassen im Lauf des Tages und gehen erst etwas später. Immerhin kann man hier schon ein paar Stunden die Sonne auf sich wirken lassen (sie erreicht Lager 1 um 6.30), bevor man losgeht, ein großer psychischer Vorteil gegenüber dem Basislager.
Die erste Stunde auf dem Grat ist es dann tatsächlich fast windstill und gemütlich, aber dann bricht die gesammelte Urgewalt auf uns ein. Der Sturm macht das Vorankommen schwierig, und es fühlt sich markant kälter an. Das Gehample an den Fixseilen ist unter diesen Bedingungen wahrlich kein Vergnügen.
Nach vier Stunden ist - endlich - Lager 2, 6800 m, erreicht, wir sind auch schon ziemlich breit. Die Sherpas haben inzwischen alle Zelte aufgebaut, so dass wir uns nur noch in eines hineinfallen lassen müssen (und es natürlich mit Schlafsack, Isomatte etc. einzuräumen). Damit haben wir die erste Hälfte geschafft. Die nächsten zwei Etappen liegen in wesentlich größerer Höhe - da kann man gespannt sein, ob unsere Akklimatisation was taugt. Und über das Wetter weiß sowieso niemand was Konkretes.
Der Wind ist in Lager 2 ein bisschen hinterhältig: manchmal ist es minutenlang fast windstill, dann baut es sich wieder auf, tobt eine Zeitlang und hört meist plötzlich wieder auf. Das Toben tritt meistens genau dann auf, wenn man gerade mal dringend wohin muss. Immerhin hat man von Lager 2 aus eine traumhafte Aussicht.

Dienstag, 13. Mai 1997

Abwarten in Lager 2
Die ganze Nacht durch hat es gestürmt, dass man sich kaum hinausgetraut hat (aber das muss man ja leider ...Wegen der Akklimatisation muss man natürlich in dieser Höhe ganz besonders viel trinken). Da der Sturm auch am Morgen nicht nachlässt, müssen wir unseren Aufbruch um einen Tag verschieben (das war dann der zweite Reservetag). Oben auf Lager 3 müssen noch Zelte aufgebaut werden, und das geht mit dem Wind einfach nicht - abgesehen von der Erfrierungsgefahr, wenn man zuerst noch 5 oder 7 Stunden in unablässig eisigem Wind aufsteigen muss und gegen Windböen kämpfen muss, die einen leicht niederstrecken.
Im Zelt ist's gemütlicher. Nur der Lärmpegel durch die ständig ans Zelt anrollenden Windböen ist lästig. Morgen muss dann allerdings eine endgültige Entscheidung fallen - rauf oder runter. Mehr als einen Tag hier oben auszusitzen, zehrt sonst nur noch an der Substanz.
Das Leben in Lager 2 ist bequem, solange es im Zelt stattfinden kann. Bei dringenden Geschäften im Außenraum dagegen empfiehlt es sich, einen windstillen Moment abzuwarten. Der vom Wind mitgeführte Schnee ist das reinste Sandstrahlgebläse.
Lager 2
Lager 2.

Mittwoch, 14. Mai 1997

Lager 2 - Lager 1 - Basislager
Diese Nacht ist der Sturm noch stärker geworden. Überall rieselt der Schnee zwischen Außen- und Innenzelt; das Zelt ächzt und müht sich, der Gewalt zu widerstehen. Oben am Berg sieht man lange Schneefahnen. Das heißt dann wohl oder übel Rückzug, der Berg hat was gegen uns. Das meint er allerdings nicht persönlich: Auch die anderen Gruppen am Berg entscheiden sich im Lauf des Morgens zur Umkehr.
Von den Schwaben kommt eine frische Gruppe herauf, wir treffen sie am Depot. Wie es denen wohl oben ergehen wird?
Die Strecke vom Lager 2 über den Eisbruch runter zu Lager 1 ist schon ein Vorgeschmack, wie es uns weiter oben wohl gegangen wäre: Der Wind zehrt an der Kraft, selbst bergab kommt man nur mühsam voran. Das Abseilen gerät zur Großaktion in der Kälte, und weiter unten wirft einen der Wind ganz gerne mal um.
Schon halb erledigt in Lager 1, kommt das Beste ja erst noch: "Killerhang" runter und der ganze lange Weg raus ins Basislager. Inzwischen ist auf dem Gletscher und dem Schutt der meiste Schnee weggeschmolzen, oft finden wir den vertrauten Weg kaum mehr. Nach insgesamt 7 1/2 Stunden sind wir wieder "daheim", wo uns zum Abendessen Pizza erwartet (wohlgemerkt, von unserem nepalischen Koch und ganz ausgezeichnet). Aus Anlass seines Geburtstages (vor zwei Tagen) gibt Gerd eine Flasche Doppelkorn aus, deren Inhalt schnell und effizient verschwindet.
Gerüchteweise sind heute drei Leute vom DAV Summit Club von Lager 3 zum Gipfel aufgebrochen. Zwei sind am Gelben Band umgedreht, vom Dritten weiß man noch nichts.

Donnerstag, 15. Mai 1997

Ruhetag im Basislager
Wir werden immer dekadenter: Zum Frühstück wird die Flasche Sekt, die eigentlich zum Feiern des Gipfelsieges vorgesehen war, geleert. Wäre ja auch sonst schade drum gewesen.
Hier im Basislager ist es zwar wärmer als Anfang der Woche, aber noch immer recht windig. Der Kostenvoranschlag für die geplante Tour nach Lhasa ist astronomisch: US$ 900 pro Person, und das für effektiv nur 2 Tage in Lhasa. Irgendwer möchte da wohl kräftig absahnen. Da wir wissen, dass der Jeep-Kilometer $ 1 kostet, also ein voller Jeep bis Lhasa $ 125 pro Nase (500 km) und der Flug nach Kathmandu $ 200, muss bei den Hotelübernachtungen irgendwo ein Fass ohne Boden sein. Da verbringen wir lieber ein paar Tage in Kathmandu oder im Dschungel in Südnepal.
Heute kommt wieder eine Yakkarawane durch; massenhaft Tibeter, die Messer und Schmuckstücke verkaufen. Preise zwischen $ 2 und $ 12000 (oder 1200, das macht sowieso keinen großen Unterschied).
Gebhard erscheint zum Abendessen mit Schlafsack - jetzt muss das Frieren doch ein Ende haben. Es gibt Kuchen (mit "Welcome"-Beschriftung). Wann hat Koch Jetta den bloß gemacht, wir sind doch den ganzen Nachmittag im Küchenzelt gesessen...
Außerdem: Wir probieren Chang. Leicht gewöhnungsbedürftig und bei manchen mit Spätfolgen (nächtliche Exkursionen aufs Häuschen).

Freitag, 16. Mai 1997

Ruhetag im Basislager
Die Nacht war zwar eher windstill, aber pünktlich am Morgen hat das ein Ende. Auch das wolkenlose Wetter ist wohl zuende. Die Schwaben, die die Nacht in Lager 2 verbracht haben, scheinen auch nicht mehr Glück mit dem Wetter zu haben als wir. Wie wir aus dem Funk erfahren, erwägen sie wegen des Sturms den Rückzug.
Basislager
Im Mannschaftszelt im Basislager. Der Sekt wäre für die Gipfelfeier gewesen, aber wieder heraustragen tun wir ihn natürlich auch nicht.

Samstag, 17. Mai 1997

Basislager - Fahrer-Basislager - Tingri
Das Frühstück ist um sieben angesetzt - eine ungemütlich kalte Tageszeit. Gegen halb neun sind die meisten Sachen (einschließlich Mannschaftszelt) eingepackt, und wir machen uns mit dem Handgepäck auf den Weg abwärts. Das heißt zuerst aufwärts, es geht anfangs eine recht erkleckliche Gegensteigung auf die Moräne hoch. Der Weg ist ermüdend lang, aber das hätten wir noch von vor drei Wochen wissen können.
Nach 5 Stunden sind wir im Fahrer-Basislager, nicht ohne vom Militär mit Warnschüssen belegt worden zu sein - und ohne zu wissen, dass wir überhaupt gemeint waren, denn aus einem Kilometer Entfernung hatten wir die "Passport"-Rufe wirklich nicht verstanden. Der Posten schien ein wenig neurotisch zu sein, ließ sich aber durch Klaus-Dieter, der gerade dort vorbeilief, von weitergehenden Aktionen abbringen.
Im Fahrer-Basislager werden wir gleich ins Zelt hereingebeten und bekommen Tee (umsonst). Bis alle Kameraden und vor allem die Yaks eingelaufen sind, vergehen einige Stunden. Wir treffen hier auch die Kollegen, die über den Summit Club organisiert sind (einer war übrigens auf dem Gipfel und ist ohne Schäden wieder runtergekommen). Sie müssen leider zwei Nächte hier warten, weil keine Fahrzeuge nach Tingri verfügbar sind. Vermutlich haben wir ihnen die Autos weggenommen, da wir recht früh den Abstiegstermin festgelegt hatten. Aber da kann man nun auch nix machen. Bei uns gibt es seitens des Verbindungsoffiziers nur ein angeblich überladenes Yak zu reklamieren, und das endet nach halbstündigem Palaver in einer "ernsten Verwarnung" (aber gebührenfrei) von Yaktreiber und Sirdar.
Wir werden - gemäß den Plänen der TCMA (Tibet China Mountaineering Association, die in Tibet das Monopol für Expeditionen besitzende Organisation)- heute noch nach Tingri gefahren und morgen (soweit das möglich ist) bis Kathmandu. Da brauchen wir wenigstens die Zelte nicht mehr im Fahrer-Basislager aufzustellen. Wir logieren also wieder im Hotel mit der weltbesten Aussicht vom Örtchen, dem Everest View in Tingri, das uns von der Hinfahrt schon bekannt ist.
Da unsere abendliche Suche nach weiteren Kneipen ergebnislos bleibt, gibt es auch das zweite Bier dort. Die Wirtin ist trotz (oder wegen?) Sprachschwierigkeiten gut drauf, hat aber Probleme, den Preis von 11 Bier auszurechnen.

Sonntag, 18. Mai 1997

Tingri - Nyalam - Zhangmu - Kodari - Kathmandu
Endlich wieder in einem richtigen Bett geschlafen, auch wenn es etwas kurz war (die Größe der Betten, nicht die Dauer). Um acht Uhr chinesischer Zeit - damit kurz nach Sonnenaufgang - gibt's Frühstück, dann geht die Jeepfahrerei weiter.
Am Lalung Leh Pass wird das Gruppenfoto gemacht. Zuerst verläuft das einigermaßen diszipliniert, bis nacheinander immer mehr Leuten einfällt, eines mit ihrem Apparat zu machen zu lassen.
Everest und Cho Oyu von Tingri aus
Mount Everest (links) und Cho Oyu (rechts) von Tingri aus, aus einer Entfernung von ca. 40 km.
Lalung Leh Pass
Die Himalaya-Hauptkette hinter dem Lalung-Leh Pass.
Hinter Nyalam, wo die Straße auf 40 km von 3700 nach 2400 m herunterführt, ist es in den vergangenen vier Wochen schön grün geworden. Und ganz viele richtige Bäume! Die Galerie kurz vor Zhangmu, wo das Wasser durchläuft, wird als Autowaschanlage genutzt. Wohl die Einzige zwischen Lhasa und der Grenze.
Zhangmu ist immer noch das heruntergekommenste Nest auf Erden, aber die chinesische Grenzabfertigung geht heute bedeutend schneller. Leider gibt's wieder keinen chinesischen Stempel in den Pass, weil wir ein Gruppenvisum haben. Die Jeeps dürften uns sogar bis hinunter zur Brücke fahren. Da unser chinesischer Lkw nicht über die Brücke darf, wird alles Gepäck in einen nepalischen Lastwagen verladen, der nur bis ans andere Ende der Brücke fährt. Wer an der Friendship Bridge wie was kontrolliert, wissen wir nicht - wir gehen einfach mal drüber. Siehe da, das ist richtig; der erste, der sich für uns interessiert, ist das nepalische Immigration Office.
Wieder in Nepal, haben wir ein kleines Problem: Wir sind schließlich einen Tag zu früh da, und der Bus und Lkw von unserer Agentur Thamserku käme erst morgen. Also wird in Kodari ein Bus und ein Lkw gechartert, die uns und das Gepäck nach Kathmandu bringen.
Trotz mehrmaligem Motorkochens und einer Reifenpanne, bei der ein zweifelhafter gegen einen noch zweifelhafter Aussehenden, aber momentan wohl dichten Reifen getauscht wird, gelingt uns das auch, nach insgesamt 12 Stunden Fahrt. Alle paar Kilometer ein Polizeiposten, an dem die Namensliste aller Mitreisenden vorgewiesen werden muss. Schlimmer als in der ehemaligen Sowjetunion - aber in Nepal sind am Wochenende Wahlen, und da ist man wohl lieber etwas vorsichtig.
In Kathmandu geht's diesmal ins Hotel Shangri La, das in eine ähnliche Preisklasse wie das Yak&Yeti gehört. Es leidet allerdings etwas unter Stromausfällen in diesem Teil Kathmandus.

Montag, 19. Mai 1997

Kathmandu
Das Frühstücksbuffet ist schon etwas spartanischer als im Yak&Yeti, aber gegenüber Tingri natürlich immer noch eine andere Dimension. Heute gibt's Stadtbummel und Einkaufen, und auch das ist "Arbeit": allen orange gekleideten mehr oder weniger Erleuchteten aus dem Weg gehen, die alles was ihnen unterkommt, segnen und dafür Geld sehen wollen; sich von den Hunderten Ramschverkäufern am Durbar Square sagen lassen, dass sie überhaupt die Billigsten und Besten sind; bei wirklich interessanten Dingen den Preis auf erträgliches Niveau herunterhandeln durch Zeigen möglichst großen Desinteresses; mit dem Taxifahrer streiten, weil sein Taxameter einen Wackelkontakt hat und er am Ende das Doppelte des angezeigten Preises will.
Es ist übrigens gar kein essentieller Nachteil für die Orientierung in Kathmandu, wenn man kein Nepali lesen kann: Es gibt überhaupt keine Straßenschilder, und so ist der Stadtplan sowieso mehr oder weniger wertlos.
Stromversorgung in Kathmandu
Anfangs wundert man sich über die täglichen Stromausfälle. Bei näherer Betrachtung ist es aber eher erstaunlich, dass es doch recht häufig Elektrizität gibt.

Dienstag, 20. Mai 1997

Kathmandu - Chitwan-Nationalpark
Eine viereinhalbstündige Fahrt über immerhin geteerte, aber sehr kurvige Straßen führt uns in den Chitwan-Nationalpark an der indischen Grenze. Dort lassen wir das Pauschalprogramm einer Dschungel-Lodge auf uns einwirken: abends ein Elefanten-Ausritt, wobei wir fünf der hier lebenden Nashörner zu Gesicht bekommen (oder das Nashorn fünfmal?). Die Tierchen sind recht imposant - Elefanten allerdings auch - und beide offensichtlich gut an den Publikumsverkehr hier gewöhnt.
Panzernashorn
Panzernashorn im Chitwan-Nationalpark.

Mittwoch, 21. Mai 1997

Chitwan-Nationalpark
Das morgendliche Vögel-Beobachten ist weniger interessant, weil die meisten dieser Tierchen in Bäumen residieren, wo man sie allenfalls als dunkle Silhouette in weiter Ferne sieht. Hören tut man sie allerdings deutlich, besonders den indischen Kuckuck, der ungefähr so klingt wie der unsrige rückwärts. Der ganze Dschungel hier ist nicht allzu dicht, wohl weil es kein eigentlicher Regenwald ist. Momentan regnet es beispielsweise überhaupt nicht.
Ob das, was uns der Führer beim "Jungle Walk" als Krokodil präsentiert, nun wirklich eins ist, werden wir wohl nie erfahren - denn bewegt hat es sich nicht. Der eine Stein, der plötzlich im Fluss abgetaucht ist, wird wohl eher eins gewesen sein - aber abgetauchte Krokodile sind für Touristen weniger interessant. Und es wäre ja schön blöd, wenn es bei dieser Hitze (nachmittags 34°C) freiwillig aus dem Wasser herauskommen würde.
Abends geht's zu Fuß zu den Rhinos: Die Führer kennen offensichtlich jedes Rhino persönlich. Ohne Elefant kann man bei weitem nicht so nah rangehen, denn Elefanten werden sehr selten angegriffen (was man von Menschen nicht sagen kann).

Donnerstag, 22. Mai 1997

Chitwan-Nationalpark - Kathmandu
Morgens noch ein Elefantenritt. Der Tierbestand hier scheint mal bessere Zeiten gehabt zu haben. Es ist allerdings sehr trocken und heiß, wahrscheinlich warten alle Tiere nur auf den ersten Monsunregen. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, der Park sei uninteressant; aber mehr als Rhinos sollte man nicht erwarten. Heutzutage sieht man wohl nur noch Rhinos. Tiger werden ungefähr einmal pro Monat gesichtet, sagt der Führer, und einige ihrer Kollegen seien schon zwei Jahre auf der Insel und hätten noch nie einen gesehen. Es soll sechs Tiger auf der Insel und 200 im ganzen Park geben.
Chitwan Nationalpark
Im Chitwan-Nationalpark.
Wir treten nach dem Mittagessen die Heimfahrt nach Kathmandu an, dann können wir morgen dort noch ein bisschen Einkaufen gehen (Samstags ist in Nepal der Ruhetag, da sind die Läden zu). Der Zustand der Reifen scheint das nationale Problem zu sein: In Nayangaryadh haben wir eine Stunde Pause wegen Reifenwechsels.
Die Fahrweise in Nepal ist ganz allgemein außerordentlich vorsichtig. Bei den engen Straßen weiß jeder recht genau, wie breit sein Fahrzeug ist, und man macht durch viel Gehupe auf seine Anwesenheit aufmerksam, damit auch ja niemand unvorsichtig die Straße im falschen Moment betritt. Unser Fahrer versucht ständig die Raben von der Straße durch Hupen zu verscheuchen, und wenn ihm das nicht gelingt, gibt es eher eine Vollbremsung als ein Überfahren irgendwelcher Tiere. All das Passt natürlich zur hinduistischen Sichtweise, denn es könnte ja ein wiedergeborener Bekannter sein...
Wieder zurück in Kathmandu, gibt's heute Pizza im Restaurant

Freitag, 23. Mai 1997

Kathmandu
Heute wieder ein Kultur-Tag. Als erstes fahren wir zum Stupa von Bodnath, eines der wichtigsten buddhistischen Heiligtümer Nepals (und der größte Stupa). Stupas sind die großen halbkugelförmigen weißen Steinmonumente mit einem Turm darauf. Der Turm ist mit Augen bemalt (Buddha sieht alles). Die Stein-Halbkugel ist übrigens massiv. Alle Stupas wie auch alle anderen Heiligtümer werden in Uhrzeigerrichtung umrundet. Rund um das Monument sind Unmengen Gebetsmühlen angebracht; eine sehr praktische Erfindung: Durch das Drehen von Gebetsmühlen werden sozusagen mechanisch die darin enthaltenen Gebete ausgesprochen, was viel effizienter ist als selbige einfach aufzusagen. In einem Tempel neben dem Stupa sehen wir eine Riesen-Gebetsmühle mit zwei Metern Durchmesser und sicher vier Metern Höhe. Wer da wohl beten lässt? Die Gebetsfahnen sind übrigens eine andere nützliche Erfindung: Der Wind trägt die Gebete in die Welt.
Unser zweites Ziel ist Pasupathinath, das höchste hinduistische Heiligtum in Nepal. Es liegt am heiligen Fluss Bagmati und ist die Bestattungsstätte hier. Der Hinduismus schreibt die Verbrennung der Toten vor, damit die Seele frei werden kann. Dies geschieht am Bagmati auf verschiedenen Plattformen; die Oberste ist für die Königsfamilie und höchste Beamte reserviert, und je niedriger die Kaste bzw. sozialer Stellung, desto weiter unten am Fluss die entsprechende Verbrennungsstätte.
Wir fahren mit dem Taxi zurück nach Kathmandu, was in der Mittagszeit keine besonders gute Idee ist. Alle Straßen sind hoffnungslos verstopft, und im Stau erleben wir besondere Highlights nepalischer Freundlichkeit und hinduistischer Leidensfähigkeit. Im Land der Sandalen ist es besonders unangenehm für einen drängelnden Motorradfahrer, wenn ihm das Taxi auf dem Fuß steht. Sich heftig beschwerend, klopft er auf die Motorhaube wie ein Wilder. Als das nichts nützt, reißt er den rechten Außenspiegel ab und wirft ihn quer über die Windschutzscheibe. Der Taxifahrer versucht ihn zu befreien, indem er zurücksetzt - aber da ist ziemlich hörbar schon ein anderes Auto. dass unser Taxifahrer sich um den Schaden nicht kümmert, interessiert aber auch den danebenstehenden Polizisten nicht; sowas scheint also eher normal zu sein.
Abends gibt es das Abschiedsessen mit zwei Herren von der nepalischen Agentur Thamserku in einem original nepalischen Restaurant. So langsam beginnt das nepalische Essen sich allerdings zu wiederholen.

Samstag, 24. Mai 1997

Kathmandu
Viele Geschäfte sind zu, aber trotzdem kann man so manches Mitbringsel finden. Eine gute Einrichtung sind die Läden für gebrauchte Bücher. Wir können einige unserer durchgelesenen (deutschsprachigen!) Bücher dort gewinnbringend anlegen und uns mit Lesestoff für die Rückreise eindecken. Abends gibt's eine wirklich gute Pizza Calzone mit offensichtlich marktfrischem Spinat.

Sonntag, 25. Mai 1997

Kathmandu - Frankfurt
Morgens geht's früh los, um fünf stellen wir das Gepäck heraus, das während unseres Frühstücks verladen und zum Flughafen gefahren wird. Um sechs fahren wir heraus zum Flughafen, wo unser Gepäck schon ganz vorne in der Schlange steht. Ohne sonderliche Komplikationen ist alles erledigt; man ist hier entweder ganz besonders sicherheitsbewusst oder spart sich einfach die Gepäckdurchleuchtung, indem die Passagiere am Flugzeug das Gepäck selber einladen müssen. Der Flug ist - mit einem Zwischenhalt in Dubai, wo Robert eine aktuelle Süddeutsche Zeitung ersteht - pünktlich in Frankfurt.

Diese Reise war eine vollständig organisierte Unternehmung (sozusagen "pauschal gebucht") von Amical Alpin, Bühl. Abgesehen davon, dass wir nicht auf den Berg gekommen sind (und wahrscheinlich genauso auch bei anderer Planung), war die Organisation und Durchführung der Reise so gut wie perfekt.
Fußnoten zum Text
[1] Das ist übrigens Thamserku in Kathmandu, für alle die vielleicht irgendwas direkt buchen möchten. (external linkhttp://www.nepal-connect.com/thamserku/home.htm) (zurück)
[2] Angehörige des Volks der Sherpa haben meist nur einen Namen, dem als weitere Identifikation meist der Volksname "Sherpa" angefügt wird. Es gibt viele ausgesprochene "Bergführerfamilien", die vergleichbare Tradition und Ansehen wie z.B. im Wallis haben. Die Sirdars (Chefs der Sherpa-Truppe einer Expedition) sind gefragte Organisationsspezialisten und nicht nur Träger, auch wenn ihre Aufgaben auch das beinhalten. (zurück)
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Hartmut Bielefeldt
Sonnhalde 8
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© 1997 Hartmut Bielefeldt

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Letzte Änderung am Text 16. Juni 1997 durch Hartmut Bielefeldt